Kurzkritik:Im Fluss

Lesezeit: 1 min

Der Rapper Nelly im Backstage

Von Geraldine Oetken

München - Ein bisschen Bling-Bling ist da schon. Aber sobald Nelly seine Fellkragenkapuze abstreift, die Weste, die Sonnenbrille zur Seite gelegt, sich demaskiert hat, geht es bei dem US-Rapper nicht um Bling-Bling, nicht so sehr um die gold gewandeten Frauen aus den Videos, um die wackelnden Hinterteile aus der animierten, recht überflüssigen Hintergrundprojektion.

Es geht sofort um den Rhythmus, um den Fluss, um den Beat, um die Party, gut und alt und bewährt. Der dreifache Grammy-Gewinner erfindet sich nicht neu, er feiert nicht das große Comeback. Er bleibt lässig, zuverlässig in seiner Zeit vom Anfang der Nullerjahre, konzentriert sich einfach auf die Fans, jene vom Tag Eins, die nicht vergessen haben, dass es den Hip-Hopper überhaupt noch gibt. Er nimmt sich die Nummer-Eins-Hits vor, verpasst dabei keinen Beat, vergisst trotzdem nicht die Lässigkeit, die Spontaneität, von der der Hip-Hop lebt.

Nelly hat sein Pflaster auf der Wange verloren, aber dafür den Bruder City Spud aus dem Knast, an den das Pflaster immer erinnern sollte, in dessen just gewonnener Freiheit auf die Bühne geholt. Und das Publikum, der Kessel, spielt für die eine, kurze Stunde des Auftritts die Chorsänger. Wenn dann die Kelly Rowling fehlt für das "Dilemma", findet sich ein Mädel im Publikum, das den Part Play-back singt. Auch nicht das erste Mal, dass Nelly diesen Publikumsjoker zieht, doch funktioniert er, der Joker, der zieht. Und alle gehen mit.

Das Backstage ist zwar klein, aber voll, es ist ein Überlaufen, kein besoffenes Volllaufen. Es ist überraschend, dass sich bei Liedern wie "Hot in Herre", eigentlich nur eine Anleitung zum Ausziehen im Club, doch eine kleine Poesie finden lässt. Im Klackeratack der Sprachkaskaden, die sich wie Spiralen immer wieder neu hochziehen. Im Fluss, im Rhythmus. Nicht zwischen den Zeilen, aber zumindest live zwischen den Beats. Nelly nutzt das Intime im Backstage und zeigt sich nahbar, geht zurück zu dem, was er kann, schon immer konnte, ohne viel Bling-Bling, zum schnellen, sauberen Rap.

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: