Kurzkritik:Hinreißende Nuancen

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Cellistin Camille Thomas und Pianist Julien Libeer

Von Andreas Pernpeintner

Der Kleine Konzertsaal im Gasteig hat akustisch seine Tücken. Was als feuriges Forte gedacht ist, kann rasch brachial klingen. Die Cellistin Camille Thomas und der Pianist Julien Libeer zeigen bei Winners & Masters, wie man dem ideal begegnet: Das beginnt mit der Werkauswahl, denn Henri Duparcs hübsche "L'invitation au voyage" sowie "Sicilienne" op. 78 und "Élégie" op. 24 von Gabriel Fauré sind bestens geeignet, um den Raum auszuloten. Was Thomas' und Libeers Musizieren auszeichnet, wird bereits hier deutlich: Thomas hat ein fabelhaftes Gespür für Tongestaltung und Farbe. Mit welch' großem, selbstbewusst gestrichenem Ton sie Melodielinien aufblühen lässt, ist hinreißend. Mit welcher Anmut sie dem ein samtenes Pianissimo gegenüberstellt, ist zauberhaft.

Auch bei Schuberts "Arpeggione-Sonate", die die beiden musikantisch herzhaft, stringent und mit gutem Ohr für Phrasierungsdetails interpretieren. Dabei sind sie sich in jeder Nuance einig. Auch wegen dieses hervorragenden Zusammenspiels ist das Konzert so hinreißend. Wobei Libeer der Ruhigere ist: Er setzt sich ans Klavier und macht alles richtig, spielt gestisch zurückgenommen, glasklar, ausdrucksstark. Lässig - aber nicht im Geringsten nachlässig. Libeer ist es auch, der nach der Pause die Bedeutung der Cellosonate "El Pueblo Amado" op. 63 des Komponisten Pierre Thilloy erläutert: Der zweite Satz (Adagio Lamentoso), der als einziger auf dem Programm steht, ist dem Gedenken an die Opfer der chilenischen Pinochet-Diktatur gewidmet - wichtig zu wissen, um die folgende dunkle Musik einordnen zu können.

Musikalisch interessanter jedenfalls ist César Francks A-Dur-Sonate. Und deren Darbietung durch Thomas und Libeer interpretatorisch bemerkenswert: Auffällig ist, wie stark Libeer im Kopfsatz das Klavier zurücknimmt, mitunter fast nur hintergründig grundiert. Der vollgriffige Klavierpart ließe ja durchaus süffigeres Spielen zu. So aber wird der Satz von den innigen Linien des Cellos getragen - umso kräftiger kommt dann die Virtuosität der folgenden Sätze zur Geltung. Wunderbar.

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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