Kurzkritik:Hauen und herzen

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Das Tanzstück "Großer Bruder" beim Think-Big-Festival

Von Petra Hallmayer, München

Sie sind die engsten Verbündeten und die härtesten Rivalen. Von einer ganz besonderen Beziehung erzählt das Tanzstück "Großer Bruder" beim Festival "Think Big" in der Muffathalle. Zu Beginn zupfen Sarah Speiser und ihr Bruder David mit der Befangenheit und Distanziertheit Erwachsener ihre Kleider zurecht, ehe sie aus einem Müllcontainer ihre Schätze von einst hervorholen: einen Kassettenrekorder, einen Stoffaffen, eine Barbiepuppe. Sie schlüpfen aus ihren Schuhen, tanzen ausgelassen zur Musik von Rage Against the Machine, verwandeln sich in die wunderbar wilden Wesen, die sie einmal waren, und toben mit mitreißender Energie über die Bühne. In einer einfachen klaren Körpersprache zeigt die Schweizerin in ihrer Studiums-Abschlussarbeit, die sie unter Regie von Matthias Grupp überarbeitet hat, einen Szenenreigen um das ambivalente Verhältnis von Geschwistern.

Sie hauen und herzen sich, kämpfen und knuddeln. Der Container wird zur Höhle, Hand in Hand erkunden sie einen Märchenwald, ein Abenteuerland der Fantasie. Unbeschwerte Spiele kippen in Brutalitäten um. Da ärgert der Bruder seine Schwester, bis sie ihn knebelt und sich seine mörderischen Wünsche in Comic-Manier ausmalt. Allein, sobald einer verschwindet, sucht ihn der andere erschrocken, weil sie ohne einander doch nicht sein mögen.

In liebevoll arrangierten Szenen entfaltet die Tanzperformance, die durch ihren Spielwitz und Wiedererkennungseffekt die jungen Zuschauer immer wieder zum Kichern bringt, den fließenden Wechsel von Eifersucht, maßloser Wut, Abgrenzung und inniger Verbundenheit zwischen Geschwistern. Nur einmal hören wir ganz kurz die Stimmen der Eltern. Das ist ein wenig schade, denn schließlich sind sie die Bezugspersonen, durch die diese Beziehung so emotional aufgeladen ist, sich von einer Freundschaft unterscheidet. Sarah und David Speiser beschränken sich darauf, alltägliche Verhaltensmuster vorzuführen, aber wie sie das tun, ist wirklich zauberhaft.

© SZ vom 07.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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