Kurzkritik:Halleluja

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Händels "Messias" wird unter Jörg Albrecht zum Erlebnis

Von Klaus P. Richter, München

Wenn die Pauke aufdröhnt, die Trompeten schmettern und der Chor das "Halleluja" skandiert, dann möchte es einen noch immer von den Sitzen reißen, so wie einst die Briten, die das Stück aus Händels "Messias" als inoffizielle Nationalhymne adoptiert haben. Tröstlich, dass es noch Hits der Klassik gibt, die es mit Heavy Metal bis Stockhausen aufnehmen können. Dabei servierte uns Hansjörg Albrecht im Herkulessaal keineswegs einen pompösen Händel. Schon die Eingangssinfonia musizierte er duftig, durchsichtig und fein artikuliert, regulierte Tempi und Dynamik mit größter Subtilität und modellierte Münchener Bach-Chor und -Orchester mit kammermusikalischer Delikatesse. Da hörte man sogar die Theorben aus der Continuo-Besetzung, aber auch, wie im Chor "Since by man came death", romantische Melodramatik.

Das machten dann die Solisten, Tenor Thomas Cooley und der Bariton Klaus Häger, mit viel Forte und dramatischem Brio wieder wett. Auch die Griechin Fanie Antonelou wusste ihren glasklaren Sopran zu veritabler Operndramatik zu steigern. Mit introvertierter Glut zwischen Belcantoglanz und Noblesse aber war die Mezzosopranistin Olivia Vermeulen die perfekte Besetzung für Albrechts Stilkonzept. Gleich ihre erste Arie "But who may abide" entfaltete das zauberische Flair einer beseelten Innerlichkeit, das die Differenz zum Timbre der Countertenöre erleben ließ. Händel hat ja auch, nach Ausweis des Quellenmaterials, den Alt oft weiblich besetzt. Aber ob er so virtuos wie Albrecht als Fan einer Doppelbesetzung des Continuo mit Orgel und Cembalo zwischen Tasten- und Dirigierakrobatik agierte, wissen wir nicht.

Bemerkenswert war die Stimmkultur des Bach-Chores, die sich unter Albrecht immer weiter vom protestantischen "Ha-Ha"-Schmetteridiom zu feiner Klangexpressivität entwickelt hat. Vielleicht war dieser Saisonauftakt mit dem von Bravorufen bejubelten "Halleluja" ja ein gutes Omen für einen irdischen "Messias" als Retter für den geplagten Bach-Chor. Verdient hätte er es.

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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