Kurzkritik:Gruselige Hängepartie

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MKO mit Uraufführung in der White Box

Von Rita Argauer, München

Wie gut es der Neuen Musik tut, wenn sie nicht museal im Konzertsaal aufgeführt wird, wurde bei der Münchener Biennale gerade bewiesen. Das Münchener Kammerorchester mit dem norwegischen Vokalensemble Trondheim Voices zieht nun mit einer Uraufführung von Manuela Kerer nach. Dieses Faust-Festival assoziierte "Leuchtturmprojekt" wurde dabei um die White Box im Werk-3-Gebäude des Werksviertels gesponnen.

Es beginnt im Aufführungsraum, das Publikum sitzt in der Mitte um Kammerorchesterchef Clemens Schuldt herum. In den Ecken stehen ein paar Musiker. Mit einer Hokus-Pokus-Bewegung zaubert Clemens Schuldt Beamer an - es werden Videos projiziert, die Streicher spielen schwankende Töne, schwellend und wieder abklingend. Doch leider wirken die Videos mehr wie ein plumper Werbefilm für das Werksviertel als wie ein kohärentes Bühnenbild. Ähnlich phrasenhaft bleibt meist auch die Regie und Choreografie: Menschen mit Masken führen mit vorhersehbaren Gesten durch das Gebäude. Toll ist das, wenn die Sängerinnen der Trondheim Voices von der Decke baumeln und von oben herab etwas gruselig ihre Stimmakrobatik präsentieren. Zu einfach wirkt es, wenn sich dieses Ensemble in einem Raum einfindet und die Sängerinnen im Kreis stehend Walpurgisnacht feiern.

Wenn das Orchester anschließend in den Büros der Werbeagentur "Avantgarde" spielt, holt einen der wahre Grusel des "Lifestyle-Kapitalismus", der in diesem Gebäudekonzept auch liegt, vollends ein. Am Ende wird auf dem idyllisch begrünten Dach befriedet, indem die Musik und der Chor zusammen finden und aus dem stagnierenden Gefiedel ein Stück Musik wird, das eben so zwischen Grusel und Affirmation schwankt. Doch es bleibt die Frage, ob man hier Teil einer grandiosen Reflexion über hochinszeniertes Firmen- und Werbungswesen geworden ist. Oder ob eben diese Firmen hier schlicht eine verjüngte Form der Kaffeefahrt mit guten Musikern veranstaltet haben.

© SZ vom 18.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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