Kurzkritik:Großer Unterhaltungswert

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Joseph Beers "Polnische Hochzeit" konzertant

Von Rita Argauer, München

Operetten wirken oft ein wenig zopfig. Das ist auch bei Joseph Beers "Polnischer Hochzeit" nicht anders, die das Münchner Rundfunkorchester nun in Kooperation mit dem Chor des Gärtnerplatztheaters konzertant aufgeführt hat. Und dennoch ist das Stück auf gewisse Art visionär. Das mag auch mit seiner Geschichte zusammenhängen. Denn Joseph Beer, der als der letzte Komponist der Wiener Operette gilt, musste als Jude nach dem Einmarsch der Nazis in Österreich emigrieren. Und die zukünftige Heimatlosigkeit des Vertriebenen spiegelte sich im Libretto des bereits 1937 in Zürich uraufgeführten Stücks. Obwohl die Operetten-Welt mit ihren Liebesreigen und Intrigenspielchen natürlich viel heiterer mit einem solchen Thema umgeht.

Nicht so der Anfang, der ist ziemlich düster. Die Musik erzählt unter dem volksliedhaften Duktus vom Leid des vertriebenen Grafen Boleslav, ohne dem Unterhaltungsgenre dabei zu viele Zugeständnisse zu machen. Dieser kehrt als Freiheitskämpfer illegal in seine Heimat, das zaristische Russisch-Polen von 1830, zurück und heuert auf dem Hof seiner Geliebten Jadja unter falschem Namen als Knecht an. Und Nikolai Schukoff weiß als Boleslav das Pathos und damit auch den Ernst des Heimatlosen, den Beer in dessen Arien hineinschrieb, ziemlich großartig umzusetzen. Sowieso sind da immer wieder Farben in der Musik, die, vom Rundfunkorchester einfühlsam musiziert, ernst bleiben, auch wenn das Stück seinen genretypischen Lauf nimmt. Liebespaare, die sich in Lauben verstecken, Trinklieder mit einer durch den Dämpfer geröhrten Posaune und schlagerhafte Liebesduette, die dem "Irgendwo auf der Welt" der Comedian Harmonists um nichts nachstehen.

Man hört, dass die "Dreigroschenoper" vorher entstand, und auch, dass es bereits Hollywood-Film-Scores gab, wenn die Musik auf eine reizende Art illustrativ unter den gesprochenen Dialogen liegt. Und wenn die "Katzenaugen" der wunderbar emanzipierten Gutsverwalterin Suza besungen werden, erklingt astreiner Jazz und Swing. Das hat großen Unterhaltungswert; auch wenn man weiß, dass man in der Kulturpolitik des NS-Regimes diese Art der Unterhaltungsmusik überhaupt nicht schätzte.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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