Kurzkritik:Großer Sport

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Ganzkörperkabarettist Alfred Dorfer im Lustspielhaus

Von Thomas Becker, München

Beneidenswert, dieser Alfred Dorfer. Mitte 50, aber geschmeidig wie einst die Katze von Anzing, der Maier Sepp in seinen besten Tagen. Gut, Dorfer segelt zwar nicht spektakulär durch den Strafraum, aber wie er so über die Lustspielhausbühne federt und tigert, gerade noch sitzt und schon wieder hoch schnellt, um am Bühnenrand in eine den Quadriceps extrem fordernde Halbhocke zu gehen - das ist schon großer Sport. Ganzkörperkabarett. Macht bestimmt Yoga, der Typ. Soll er doch. Solange er einem solch luzide Abende schenkt, kann er von uns aus auch zum Zumba gehen - oder bei Sechzig spielen.

"Und . . ." ist Dorfers siebtes Solo-Programm in 33 Jahren auf der Bühne. Eins, das vordergründig und gar wunderbar unterhält, das aber auch subkutan wirkt, als Nachbrenner noch Stunden später. Die Jury des Deutschen Kabarettpreises formulierte das so: "Ihre volle Wirkung entwickeln seine Programme oft erst ein wenig zeitversetzt - dann aber umso intensiver." Stimmt. Da sind zuerst die Scherze über Sitzpinkler, Veganer, zu softe Erziehungsberechtigte und die Chancenlosigkeit des Mannes in Beziehungsoptimierungsgesprächen. Mit einem Dutzend Figuren zieht er uns auch schauspielerisch in seinen Bann, entwirft herrliche Miniaturen und Gedankenspiele: trifft sich selbst als Mittzwanziger, fragt, was wäre, wenn man Gedankenlesen könnte. Und wenn er uns dann hat, dann geht's ans Eingemachte: Demokratie, Respekt, Toleranz, Humanität und den Kampf gegen Rassismus.

Einer, der sich im Studium mit Nationalsozialismus, Faschismus und Totalitarismus beschäftigt hat, begnügt sich nicht mit Gags über die Merkel-Raute. Der nimmt uns mit zu Platon in die Höhle, zu Zeus und dem gar nicht mal so weisen Seher Teiresias, und er ruft dazu auf, endlich den Verstand zu nutzen: "Wer nur einen Hammer hat, für den sieht jedes Problem wie ein Nagel aus." Ach ja: Tipps für Männer in der Renaissance, also so um die 50, gibt's auch noch. Wie gesagt: sehr geschmeidig, das alles.

© SZ vom 10.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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