Kurzkritik:Grenzzustände des Seins

Lesezeit: 1 min

Die Berliner Barock Solisten im Prinzregententheater

Von Rita Argauer, München

Johann Sebastian Bach und die Vorweihnachtszeit, das passt zusammen. Es muss nicht immer gleich das Weihnachtsoratorium sein, auch etwa die drei Violinkonzerte oder die Sinfonia aus "Am Abend aber desselbigen Sabbats" sowie die erste Ouvertüre passen in ihrem durchaus festlichen Charakter gut zu dieser Zeit. Doch so, wie das nun Frank Peter Zimmermann und die Berliner Barock Solisten unter der Leitung von Daniel Gaede im Prinzregententheater spielen, zeigt sich in dieser Musik noch weit mehr als barocke Wohlfühl-Festlichkeit.

Zimmermann setzt dabei eine ganz eigene Dramaturgie des Ausdrucks auf die drei Violinkonzerte. Sie beginnen mit dem a-Moll-Konzert. Zimmermann spielt verflossen mit den drei Geigen des Ensembles, füllt - beschwingt musiziert - dann solistische Passagen auf. Seinen Ton drängt er dabei jedoch weder auf, noch färbt er ihn besonders exalitiert. Wenn er einen schneidenden Ausdruck wählt oder im zweiten Satz fahler wird, folgt das Ensemble, das hier reagiert als sei es ein einzelner Körper, dessen Kopf Zimmermann ist, der in der Sinfonia später dann von dem herrlich präzisen und druckvollen, aber nicht trötenden Bläsertrio aus zwei Oboen und Fagott abgelöst wird.

Doch die Grenzzustände des menschlichen Seins, die Bach trotz oder gerade wegen der strengen Struktur so herrlich in Musik zu gießen vermochte, zeigen sich über die folgenden Violinkonzerte: Etwa wenn im E-Dur-Konzert die Moll-Passagen als dunkle Spiegel der Hauptthemen auftauchen und Zimmermann diese mit gleichbleibender Energie aber verschattetem Timbre spielt. Oder wenn das d-Moll-Konzert am Ende über eine bisweilen ausbrechende Virtuosität Zimmermanns zum Sturm wird, der nicht der Spieltechnik wegen stürmt, sondern aus einer Unruhe und gleichsam plötzlichen kompositorischen Freiheit heraus. Tosender Applaus hierfür, den Zimmermann natürlich als Teil des Ensembles entgegennimmt und nicht an der Bühnenrampe.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: