Kurzkritik:Grell und wild

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Der britische Soulsänger James Hunter im Ampere

Von Claus Lochbihler, München

James Hunters Stimme ist nicht sanft und süß, sondern rau und grobkörnig. Sie hat etwas von einem schlauen, struppigen Straßenköter, den das Leben ein wenig verprügelt hat, der es aber trotzdem liebt. Besonders dann, wenn so viele kommen, um ihn, diesen Retro-Köter des frühen Soul und Rhythm'n'Blues, im ausverkauften Ampere zu hören. Auch schmachten kann James Hunter, vor allem wenn er sich Midtempo in Sam-Cooke-Gefilde singt - aber auch diese Songs enden im spitzen Schrei der Soul- und Blues-Ekstase. Dann jagt er seine Stimme in anderthalb Minuten durch eine Achterbahn, die bei Sam Cooke anfängt und sich bei James Brown überschlägt.

Ähnlich schnell, grell und wild sind seine Gitarrensoli: Hunter drischt auf seine Gitarre ein wie auf seine Stimme. Die Töne jaulen, heulen und purzeln, als ob er einen zum Bersten vollen Sack Rock'n'Roll aufgestochen hätte. Und wenn es auf dem Griffbrett nicht weiter geht, stimmt er die Saiten rauf und runter oder setzt sich die Gitarre wie einen kleinen Kontrabass auf die Fußspitze. Und jedes Mal, wenn die kleine Zirkusleinlage zu Ende ist, grinst der 55-Jährige ein Spitzbubengrinsen ins Publikum, als ob er diesen Gimmick nicht schon zigfach, sondern zum ersten Mal gespielt hätte. Zu alldem wummert die Orgel, die Saxofonisten spielen ein Ausrufezeichen nach dem anderen, während Kontrabass und Schlagzeug shuffeln oder im Pseudo-Rumba begleiten. Solostische Abwechslung bieten vor allem der Tastenmann, der stärkste und jazzigste Solist der Band, und Damian Hand, der ein röhrendes Tenorsaxofon bläst. Was musikalisch so entschieden amerikanisch daherkommt, klingt in den Ansagen so englisch wie Oliver Twist: James Hunter spricht ein Cockney, das sich tatsächlich wie Londoner Nebel auf seine Ansagen legt. Man versteht wenig, und wenn er mit seinen Musikern redet, praktisch gar nichts.

Das Konzertende geht so schnell wie der ganze Auftritt. Kaum von der Bühne herunter, sind die James Hunter Six schon wieder oben: völlig verschwitzt, aber gut gelaunt. Dann noch zwei schnelle Nummern, das Publikum hätte gern mehr, aber das Licht geht an, und die Musik kommt aus der Anlage.

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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