Kurzkritik:Frohe Botschaft

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Der sudanesische Sänger Sinkane in den Kammerspielen

Von Stefan Sommer, München

In Donald Trumps präsidialer After-Work-Playlist taucht er wahrscheinlich nicht auf: Sinkane, der Sänger mit sudanesischen Wurzeln und amerikanischem Pass tritt live mit schwerer Goldkette und Rancher-Cowboyhut als schwarzer John Wayne auf, baut Country-Songs zu Afro-Beat-Hymnen um, und schwört das Publikum mit arabischen Hippie-Suren wie "Kulu shi Tamtam" (zu deutsch: "Alles wird gut") ein. Sinkane dekonstruiert die kulturellen Codes, die das weiße, republikanische Amerika über die Jahre so liebgewonnen hat - dazu heißt er mit Vornamen Ahmed. All das konnte das Münchner Publikum bei seinem fantastischen Auftritt in den Kammerspielen erleben.

Nach dem syrischen Hochzeitssänger Omar Souleyman und der Tuareg-Band Tinariwen ist Sinkane nun der nächste Popmusiker mit Diaspora-Biografie, den die Kammerspiele in recht kurzer Zeit präsentieren. Der gebürtige Londoner floh mit seinen Eltern im Alter von fünf Jahren aus der Sahara-Stadt Omdurman im Sudan in die USA. Nach seinen Teenager-Jahren zwischen Kleinstadt-Jugendzentren, Shopping-Malls und Sommerferien-Trips in die ostafrikanische Heimat arbeitete er als Session- und Studiomusiker für Indie-Bands wie Of Montreal, Yeasayer oder Caribou und begann selbst Songs zu schreiben. Der Weltmusik-Entwurf des Multiinstrumentalisten spielt mit den Wurzeln schwarzer Musik wie Reggae, Disco oder Funk und schließt mit Krautrock-Synthies und Country-Gitarren einen Graben, der über Jahrzehnte der weißen Stadionrock-Hegemonie Kontinente auseinander riss.

In Tracks wie "Mean Love" oder "Favorite Song" von seinem neuem Album "Live & Livin' It", die auch live ausgezeichnet funktionieren, spürt Sinkane Verbindungen afrikanischer und westlicher Musiktraditionen auf, die in den tiefen Falten der Popkultur seit dem großen Afro-Sänger Fela Kuti oder der Band Can verschollen gingen. Die Hinwendung zu repetitiven, polyrhythmischen Tribal-Drums in Stücken wie "Telephone" öffnet den Sound dann in Richtung Dancefloor: Mit seiner präzisen und wuchtigen Band erforscht Sinkane die Grenzzonen moderner Popmusik und predigt mit hohem Falsettgesang die frohe Botschaft von "Love, Peace, Unity and Freedom". Amen, brother!

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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