Kurzkritik:Frischer Ostwind

Lesezeit: 1 min

Shamisen-Rock aus Japan in der Glockenbachwerkstatt

Von Jürgen Moises, München

Man kennt die Shamisen vor allem als ein Instrument der Geishas, oder von seiner Begleiter-Rolle im japanischen Kabuki- und Bunraku-Theater. Auch in anderen Zusammenhängen wird und wurde die traditionelle dreisaitige Laute als Solo-, Ensemble- oder Kammermusikinstrument eingesetzt. Auf Rock- und Pop-Bühnen kannte man die Shamisen bisher noch nicht, zumindest nicht in München. Dank Keisho Ohno ist das nun anders. Der junge japanische Musiker war am Montagabend mit seiner fünfköpfigen Band Urushi in der Münchner Glockenbachwerkstatt zu erleben und hat mit seinem mitreißenden Konzert gezeigt: Die Zeit für Shamisen-Rock ist reif.

Die musikalischen Traditionen hochzuhalten und sie gleichzeitig zu zerstören, so lautet Ohnos Motto, das der klassisch ausgebildete Shamisen-Spieler schon seit mehr als zehn Jahren verfolgt. Das Ergebnis nennt er "present-progressive traditional music", was sich bei seiner bereits 2004 gegründeten Truppe "Keisho Ohno with Tsugaru Shamisen Soul" in Richtung Pop, Jazz oder Weltmusik bewegt. Bei der 2014 in Osaka gegründeten Band Urushi, zu der neben Ohno der Keyboarder Mamoru Motooka, der Gitarrist Kazunori Koga, der Bassist Tsunetaka Takahashi und der Schlagzeuger Akira Kobayashi gehören, lautet die auch auf zwei Alben nachhörbare Stoßrichtung dagegen ganz klar: Rock.

Ein bisschen Tradition gibt es live in Form der japanischen Gewänder zwar immer noch, und in nahezu jedem Ton der Shamisen klingt sie auch unverkennbar mit. Nur vermischt sie sich hier mit der westlichen Tradition des Art- und Psychedelic-Rock, zu der nicht zuletzt Mamoru Motooka mit seiner Hammond-Orgel einiges beiträgt. Bei "Kinmokusei" wird es ein bisschen funkig, und das balladeske "Yakumomichi" klingt wie ein elegischer Filmsoundtrack. Am allerbesten sind Urushi aber immer dann, wenn sie etwa wie bei "Hayate" oder "Overdrive" so richtig Gas geben. Und mit Shamisen bekommt sogar Nirvanas "Smells Like Teen Spirit" frischen Wind. Für den sorgt außerdem die große Spielfreude der Band, die ihr kleines Publikum mit Gesten oder Zurufen zu Höchstleistungen anstachelt und den gemeinsamen, deutsch-japanischen Freudentaumel schließlich noch um zwei Zugaben verlängert.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: