Der Chor des Bayerischen Rundfunks steht kurz vor einem Wechsel: Sein langjähriger Leiter Peter Dijkstra geht, Howard Arman kommt. Dazwischen konnte er jetzt seine unter Dijkstra immer weiter entwickelte Virtuosität und stilistische Flexibilität in einem Konzert mit besonderem Programm zeigen. Der estländische Dirigent Olari Elts brachte seine Musica Baltica ins Prinzregententheater und beschwor mit Arvo Pärt und Erkki-Sven Tüür faszinierende baltische Musikmagie.
Das Phänomen Arvo Pärt enthüllte sich gleich mit dem ersten Werk "L'Abbé Agathon", einem Lamento nach Schriften eines Mystikers der orthodoxen Kirche vom Kloster Athos. Ein kleiner Frauenchor mit solistischen Einlagen von Solosopran (mit delikatem Timbre: Hannah Morrison) und Tenor (mit blühender Strahlkraft: Julian Prégardien) eröffnet Fortissimo im Unisono. Aber bald mäßigt es sich zu Tranquillo und lichter Helle. Der Sensualismus von Pärts Idiom aber entfaltet sich im Klangbild des Streicherensembles. Was als musikalische arte povera daher kommt, ist eine recht raffinierte Klangidiomatik. Ihr Kern ist eine Zweistimmigkeit mit einer stufenweise geführten Melodiestimme, gestützt von einer durch viele Dreiklänge strukturierten Begleitstimme. Als "Tintinnabuli-Stil" bezeichnet, eröffnet sie neue Regionen der alten Tonalität, in der Klangwirkung aber ein faszinierendes Kolorit. Das Münchner Kammerorchester war dafür das unübertreffliche Instrument.
Auch der selten zu hörende estländische Landsmann Erkki-Sven Tüür, eine Generation jünger als der heuer 80-jährige Pärt, komponiert im gleichen Klangambiente. Aber was Pärt mit meditativer Andacht auslotet, dramatisiert Tüür in seinem "Requiem". Hier trat der Chor mit 42 Sängern an und zeigte sich von psalmodischer Rezitation bis zu gewaltigen Fortissimi - überwältigend im Finale des "lux perpetua" - auf der Höhe seiner Kunst (Einstudierung: Yuval Weinberg).