Kurzkritik:Fast zu schön

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Das "Artemis Quartett" und die Große Fuge

Von Egbert Tholl, München

Es ist Teil drei des Zyklus mit dem Artemis Quartett, und rückwärts geht es zu dem, was für viele der Höhepunkt der Gattung ist: Erst spielt Artemis im Prinzregententheater Anton Weberns "Langsamen Satz für Streichquartett", der noch nichts davon ahnen lässt, dass der Komponist später zum Ahnherr serieller Musik wurde. Dann folgt Schumanns F-Dur-Streichquartett op. 41/2, schließlich Beethovens op. 130 mit dem ursprünglich dafür komponierten, später davon losgelösten Schlusssatz, der "Großen Fuge".

Die Musiker spielen zu drei Viertel im Stehen, Eckart Runge sitzt mit seinem Cello auf einem Podest, so dass sich alle im Wortsinne auf Augenhöhe befinden. Nur dieses Podest, das wird später auffallen, es birgt ein Problem: Es hat zu wenig Resonanz. Zu wenig Bass. Das merkt man kaum, solange sich die Musiker in frühlingsleichten Gefilden bewegen. In der "Großen Fuge" jedoch kann Runge machen was er will, und er gibt alles. Aber es fehlt der Druck. Und da Gregor Sigl über eine Bratsche verfügt, bei der ein Verstärker miteingebaut zu sein scheint - vielleicht hat er das Ding bei einem Straßenmusikantenausstatter erworben -, gerät die Fuge über weite Strecken zu einem Dialog zwischen der ersten Geige von Vineta Sareika und eben der Bratsche plus Beiwerk. Verstärkt wird der Eindruck dadurch, dass die Artemis-Musiker bei aller Verve nicht auf stählernen Glanz aus sind, sondern stets, eben auch in der Fuge, so furios sie da auch zu Werke gehen, immer von einem sehr lyrischen Grundton ausgehen und auch viel Schalk und Witz haben.

Hinreißend ist das in Beethovens Mittelsätzen, in der Cavatina betörend. Herrlich schön gelingt ihnen auch der Webern, ein musikantisches, hochkommunikatives Erlebnis der Geigen - die zweite spielt Anthea Kreston - und des Cellos, um die Sigl wie ein befreundeter Satellit kreist. Mal wirkt die Musik wie eine Erinnerung, mal wie ein Lied ohne Worte. Wie auch beim Schumann. Aber das letzte Zwingende fehlt, so schön alles ist.

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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