Kurzkritik:Familien-Techno

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DJ Paul Kalkbrenner bedient seine Fans im Zenith

Von Mario Schütze, München

Lange Schlangen vorm Zenith: Jeder Gast muss sich erst einmal ausweisen. DJ Paul Kalkbrenner setzt auf personalisierte, mit Namen versehene Tickets, um einen Zweitmarkt mit Wucherpreisen zu verhindern. Das dauert bei 6000 Fans und nur fünf Einlassschleusen seine Zeit, so dass das Konzert eine halbe Stunde später beginnt als geplant.

Das ist dann aber auch schon fast die einzige Überraschung, die er nach seinem USA-Trip nun hier auffährt. Wie sein aktuelles Nummer-eins-Album "7" klingt alles wie gewohnt. Kalkbrenner bleibt sich treu, macht Familien-Techno für alle zwischen 8 und 88. Weltweit. Er unterlegt eingängige Beats mit schmalzig-schmusigen Melodien und Vocals, setzt sie live immer wieder neu zusammen, damit bloß niemand aus dem Gute-Laune-Takt kommt. Deep-House-Stimmung? Fehlanzeige. Eher Fahrstuhlmusik mit Wabern und Wummern in Endlosschleifen. Und dann spült er auch noch auf "7" in "Feed Your Head" den berühmten Jefferson-Airplane-Titel "White Rabbit" im Electro-Waschgang weich unter Verwendung der Originaltonspuren. Trotzdem: Die treue Anhängerschaft in der ausverkauften Halle, mittlerweile meist viel jünger als ihr 38-jähriger Star, wippt, tanzt, springt, klatscht den Bassbums mit den Händen, schwitzt, filmt mit dem Smartphone. Und Kalkbrenner? Zappelt oben auf der Bühne in grell-warmem Licht hinter seinem Mischpult - und sagt nichts.

Dabei kann es der Bayern-Fan, Jung-Papa und Vater aller Mainstream-DJs doch eigentlich. Seine Soundtrack-Single "Sky and Sand" aus dem Hannes-Stöhr-Film "Berlin Calling" (2008), in dem er den Drogen-DJ spielt, hielt sich vollkommen zu recht 128 Wochen in den Charts - ein Rekord. Die Nummer ist natürlich auch in München der Höhepunkt. Aber auch von den neuen Songs kommen einige überraschend gut an. Etwa "Mothertrucker", wo der Synthie heiser dreinfährt und kurzzeitig den Wohlfühl-Sound stört. Oder in "Cylence 412" lässt er das Pfeifen, mit dem er gewöhnlich seine Melodien entwickelt, einfach drin. Dazu etwas Funk, Blues und Soul. Geht doch!

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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