Kurzkritik:Etwas zu dezent

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"Seekrank im Schwimmbad" macht Spaß, bleibt aber arg brav

Von Petra Hallmayer, München

Es ist eine clevere Geschäftsidee - und eigentlich genau der richtige Stoff für einen hintersinnig absurden Theaterabend: Pete (Arno Friedrich) verleiht Schauspieler als Ersatz für Familienmitglieder und Liebespartner, bietet an, "emotionale Lücken" jeder Art zu füllen. Die Inszenierung von Lorenz Seib, der im TamS zwei Stücke von Judith Herzberg präsentiert, beginnt denn auch schön versponnen und mit feinen lakonischen Dialogen, die gewitzt mit Floskeln jonglieren. Ein Sohn sucht ein Double, das ihn bei seinem Vater vertritt. Eine von Panikattacken gequälte Frau engagiert einen falschen Einbrecher, um zu wissen, wer nachts durch ihr Haus schleicht. Ein gescheiterter Schauspieler (Christian Lex) beklagt traurig-empört das gedankenlose Herumgeküsse, die Entwertung des "echten" Kusses. "Wie echt ist echt echt" umkreist in weit schlingernden Schleifen unser Verhältnis zu Wahrhaftigkeit, Authentizität und Fake. Leider aber driftet das Stück zunehmend in ein vages Allerlei ab, tupft dieses und jenes an, ohne auf irgendeinen Punkt zu kommen.

Nach der Pause weist ein herrlich alberner Gondoliere (Sophie Wendt) zwei übergewichtige Touristen (Helmut Dauner, Arno Friedrich) ab. Diese begeben sich in ein Schlankheitsinstitut, um in einer Diätgruppe dem Genuss zu entsagen. Ruth Geiersberger jammert als köstlich dünkelhafte Dame über das Weltwetter, Julia Loibl schwärmt von der Schönheit des ewigen Strebens. Das (fettfreie) Ensemble trumpft reihum immer wieder mit spielerischer Komik auf, und zuzusehen, wie Seib mit minimalistischen Mitteln lustige Planschszenen kreiert, macht Spaß. Doch auch in "Seekrank im Schwimmbad" mangelt es dem Witz an pointierter Schärfe. Das Programmblatt verrät uns, dass die niederländische Autorin den Gegensatz zwischen einer lukrativen Hungerkur-Industrie für hysterische Wohlstandsbürger und dem Elend anderorts vorführen wollte. Das allerdings bleibt im TamS so dezent angedeutet, dass man es gar nicht wirklich wahrnimmt.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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