Kurzkritik:Erotisch

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Julia Fischer und Igor Levit mit Beethoven-Sonaten

Von Klaus Kalchschmid, München

Zwei ganz und gar eigenständige, eminent selbstbewusste und im Temperament durchaus unterschiedliche Meister ihres Instruments widmen sich zusammen chronologisch dem Kosmos eines Komponisten in einer Gattung: Das ist ein ebenso simples wie auch im Falle von Igor Levit und Julia Fischer mit den zehn Sonaten für Klavier und Violine von Ludwig van Beethoven bestechendes Konzept.

Bei ihrer zweiten, restlos ausverkauften Matinée im Prinzregententheater stand neben der "Frühlings-Sonate" die Trias des opus 30 auf dem Programm. Und weil die beiden dieses mittlerweile schon in halb Europa gespielt haben, verstehen sie sich blendend. Mal führt er, mal sie, mal geht der eine in die Defensive, mal der andere. Entweder es entsteht ein geistsprühendes Miteinander im Kontrast zueinander oder es herrscht der sicher nicht ohne Konflikte errungene Einklang. Julia Fischer spielt auswendig, und auch wenn ihr Gesichtsausdruck meist stoisch ist, hört sie stets hellwach, was ihr Partner genau macht; bei Levit kann man die Reaktionsbereitschaft am ganzen Körper auch sehen.

Traumhafte Übereinstimmung herrscht nicht zuletzt in den langsamen Sätzen, die zum Schönsten des an Höhepunkten wahrlich nicht armen Konzerts zählen: etwa das ebenso würdevoll wie entspannt schreitende "Adagio molto espressivo" der A-Dur-Sonate oder das herrlich grazil singende "Tempo di Menuetto" der G-Dur-Sonate. Levit und Fischer können auf einem Atem musizieren oder sich risikoreich konfliktbereit mit einander unterhalten. Keine Frage also, dass Variationensätze die musikalisch-sinnliche Intensität der beiden ebenso lustvoll herausfordern, wie sie der Dramaturgie der Sonaten-Hauptsätze akribisch auf der Spur sind oder das vital Lebenssprühende der Finalsätze ausreizen. Nicht nur Levit hat hörbaren Spaß an der scharfen Akzentuierung von Synkopen, für die er sich manchmal förmlich in die Tastatur setzt. Und im abschließenden "Allegro vivace" des op. 30/3 langen beide dann auch mal so richtig deftig zu.

Begeisterter Beifall für eine Sternstunde ebenso kühl intellektuellen wie im umfassenden Sinne warm erotischen Musizierens.

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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