Beethoven-Dramatik so kurz nach dem Sonntagsfrühstück ist eine Herausforderung. Aber Igor Levit, einer unserer spektakulär aufsteigenden Klavierwunder, beginnt den dritten Teil seines Beethoven-Zyklus im Prinzregentheater mit lyrischer Zärtlichkeit. Die ersten Takte der Fis-Dur-Sonate op. 78 sind Auftakt zu einer fast Schubertschen Liedkantilenenkunst, und erst im Allegro der zweisätzigen Sonate geht es mit Verve in radikalere Diktion. Und Levit entfesselt sie in der rhythmisch heiklen Sechzehntel-Feinmechanik mit kristallklarer Brillanz. Auch im Allegro molto e con brio der Sonate Nr. 4 Es-Dur op. 7 zeigt er virtuosen Zugriff.
Wenn es aber im Largo der riesigen Sonate um die Nuancen jener legendären "heiligen Adagio-Andacht" geht, wie etwa bei der unterirdischen Wendung von C-Dur nach As-Dur, dann vermisst man etwas aus Beethovens Tiefe. Levit modelliert die Ausdrucksbewegung wunderbar klar, vertraut aber eher auf das Stimmungsmäßige. Damit vermeidet er wohlfeiles Pathos, aber er erschafft nicht jenes metaphysische Format wie es einem Backhaus, Kempff oder Serkin gelang. Dafür trifft er den Reichtum von Beethovens schnellen harmonischen Wechseln und führt sie uns in ihren Facetten und Episoden mit dramaturgischer Finesse vor. Dieser Facettenreichtum, schon Teil der Programmidee, feierte in den beiden Sonaten aus op. 14 von spielerischem Elan bis zu einem zirzensischen Scherzo als Finale der op. 14 Nr. 2 Triumphe.
Dann aber reißt uns Igor Levit in der "Les Adieux"-Sonate in den Taumel ungestümster Klavierspielkunst. Beethovens ergreifendes "Lebe wohl" an den Mäzen Erzherzog Rudolf dringt zwar im "Andante espressivo" noch durch, aber im hochtourigen "Vivacissimamente" betäubt doch der reine Wiedersehens-Jubel. Abklärung brachte dann die Zugabe, eine entrückte Musik astraler Klangalchemie von Levits großem Freund, Frederic Rzewski, mit ihrem Skrjabin-Touch. Beifallsstürme.