Kurzkritik:Ein Querkopf

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Wer ist Lambert? Musik mit Maske im Ampere

Von Jürgen Moises, München

Er hat einen älteren Bruder, der ihn früher oft verprügelt hat. Er mag Arnold-Schwarzenegger-Filme lieber als Schach. Er fuhr früher einen VW-Golf. Und er hat einen leicht schrägen Humor, mit dem er all diese persönlichen Dinge auf der Bühne des Ampere vorbringt. Wer Lambert ist und warum der norddeutsche Pianist sein Gesicht hinter einer Karnevals-Stiermaske aus Sardinien verbirgt, verrät das alles aber nicht. Nils Frahm, wie mancher angesichts der melancholischen Klavierstücke gemunkelt hat, ist es jedenfalls nicht. Da passen Größe, Statur und Stimme nicht, und auch nicht die Art der Inszenierung. Denn während Frahm gerne mal die Nebelmaschine anwirft und ein paar andere elektronische Apparaturen, gibt es bei Lambert als "Show-Elemente" nur die Maske, seinen Humor, einen Riesen-Strohhalm, aus dem er Wasser trinkt. Und einen Schlagzeuger mit Maske und Ganzkörper-Fellanzug, der treibende Beats mit seiner Bass-Drum beisteuert, Lautspielereien auf Becken und Tom-Toms sowie dunkle Akkorde aus einem Mini-Keyboard.

Wenn es überhaupt einen Vergleich braucht, fallen einem zumindest live eher Chilly Gonzales oder Helge Schneider ein. Und man bekommt eine ganz kleine Ahnung, dass hinter der Maske ein Querkopf steckt, der in die Hochleistungsbetriebe Klassik und Jazz nicht wirklich reinpasst und sich deswegen einen alternativen Weg gesucht hat. Das gilt auch für Lamberts Kompositionen, die manchmal an Chopin, Debussy oder Satie erinnern, vereinzelt auch einen leichten Jazz-Groove aufweisen, ansonsten aber dem Pop und der Filmmusik recht nahe stehen. Mit "Birds" vom aktuellen Album "Stay In The Dark" spielt Lambert tatsächlich auch ein Stück, das ursprünglich für einen Filmsoundtrack entstanden ist, und mit einem Lied von Tocotronic einen anverwandelten Popsong. Gefühlsminiaturen sind Lamberts Stücke, in dem Sinne, dass er mehr auf Stimmungen setzt als auf ausgestelltes Virtuosentum.

Virtuos vorgetragen sind sie dennoch, und außerdem verspielt und abwechslungsreich genug, dass sie einen trotz vieler Moll-Akkorde auch über eine Stunde unterhalten und beglücken. Ob nun Chilly, Frahm oder Max Mustermann hinter der Maske steckt, ist jedenfalls am Ende nicht mehr wirklich wichtig.

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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