Kurzkritik:Dunkle Ahnung

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Das Theater Regensburg zeigt ein beklemmendes "Cabaret"

Von Egbert Tholl, Regensburg

Auf einmal steht er da, der junge Nazi, der mit Engelsstimme von Hirschen im Wald und dem Vaterland singt. Im Original heißt der Song "Tomorrow belongs to me" und ist noch ein bisschen fieser. Aber hier singt man Deutsch, mit einer Ausnahme, "Money, Money". So vemeidet man zwar den Bruch zwischen Dialogen und Songs, aber glücklich macht die Übersetzung nicht in jedem Detail. Also der Nazi, dem bald ein ganzer Nazi-Chor folgt, ein düsteres Bild, beim ersten Mal noch dunkle Vorahnung von etwas, was am Ende Realität ist. Da sucht Clifford (Matthias Laferi), der amerikanische Schriftsteller, das Weite, der Conférencier (Adrian Becker) ist selbst zum Nazi geworden, damit der Laden auch unter den neuen Machthabern läuft, und Sally (Maria-Danaé Bansen) ist nun eine Marionette der Diktatur, Unterhaltungspuppe in ihrer nur scheinbar sorglosen Bühnenwelt.

Der Regisseur Johannes Pölzgutter inszeniert das Musical "Cabaret" im Velodrom des Theaters Regensburg. Dieses hatte einst der jüdische Kaufmann Simon Oberdorfer gebaut, der 1943 von den Nazis in Sobibor ermordet wurde. Jetzt krachen zur Pause die Bretter von der Wand und geben ein Hakenkreuz frei.

Pölzgutter gelingt beides: die Show mit unaufwendiger Eleganz und notwendig zotig zu bedienen und den politischen Gehalt stärker als üblich zu betonen. Tamás Mester hat beeindruckend akrobatische Choreografien geschaffen, Alistair Lilley entdeckt in der Musik einen ungeheuren Farbenreichtum. Dadurch, dass der Unterhaltungsaspekt, auch dank sehr guter Gesangsleistungen (Bansen, Martina Fender als Nazihure Fräulein Kost), so fein bedient wird, wird das, was Pölzgutter eigentlich erzählen will, umso beklemmender. Am deutlichsten wird dies bei dem zauberhaften, älteren Paar Ruth Müller als menschlich umwerfendes Fräulein Schneider und Peter Nüesch als lieber Herr Schultz. Rührend glücklich wäre diese Liebe, wäre da nicht der Hass der Nazibrut. Am Ende wird es still im Saal.

© SZ vom 22.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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