Kurzkritik:Die Zwei aus Empörien

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Neues vom Kabarett-Duo Faltsch Wagoni

Von Oliver Hochkeppel, München

Was Kabarettisten subjektiv über ihr brandneues Programm denken, stimmt nicht immer mit dem überein, was der "objektive" Betrachter dann zu erkennen glaubt. Des Sprachspiels seien sie müde, das hätten sie stark reduziert, behaupteten Silvana und Thomas Prosperi, auf der Bühne seit 35 Jahren unter dem Namen Faltsch Wagoni bekannt, vor der Premiere ihres neuen Programms "Auf in den Kampf, Amore!" in der Lach- und Schießgesellschaft. Davon war glücklicherweise wenig zu bemerken, im Gegenteil. Schon die Exposition lässt die Wortverwirbelungen, die sprachlichen Capricen, die intelligenten semantischen Assoziationen fröhliche Urstände feiern, für die Faltsch Wagoni berühmt sind: Sie, die Königin, genauer "Lady Dada", trifft da auf ihn, ihr Volk, also "Herrn Folks", und prompt werfen sie sich rasant Stichworte zu, sprechen auch wie in früheren Paradenummern mal mit der Stimme des anderen.

Neu sind der fortlaufende Erzählstrang und sein direkter Bezug zum Zeitgeschehen. Repräsentieren die beiden doch das Land "Empörien", die "Heimat der empathischen Europäer". Eine Utopie, die die Ängste, Marotten, die rationalen Defizite und emotionalen Verkrustungen unserer Gesellschaft wie auf einer Perlenschnur aneinanderreiht - aber auch die Gegenkräfte in Position bringt: Engagement, Gelassenheit, Aufgeschlossenheit und allem voran die titelgebende Liebe.

Transportiert wird das mehr denn je auch mit Musik. Unverwechselbare Faltsch-Wagoni-Lieder sind das alles wieder: minimalistisch einerseits, oft a cappella, dann aber auch mit vertrackten Harmoniewechseln und Griffen auf der von Thomas gespielten Gitarre, rhythmisch von Silvana mit Mini-Cajon oder Kastagnetten geleitet. Wunderbare Songs wie der von den "Mauerbauern" oder das vielleicht überhaupt schönste Agitprop-Lied seit vielen Jahren, mit dem Appell, dass sich Wahrheit, Freiheit und Liebe nicht von selbst erledigen. Es seien mit die schönsten Lieder, die sie je geschrieben hätten, sagten die beiden vorher ebenfalls. Manchmal stimmt der Eindruck der Künstler auch mit dem von Publikum und Kritiker überein (noch bis Samstag).

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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