Kurzkritik:Der beste Sachs

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Mit den "Meistersingern" endet die Opernsaison

Von Egbert Tholl, München

Einer hat daran gedacht. Vor Beginn der Vorstellung von Richard Wagners "Meistersingern", die die Saison der Bayerischen Staatsoper beschließen, sieht man einen Menschen auf den Stufen des Nationaltheaters, der ein "Oper für alle"-T-Shirt trägt. Will er damit etwas sagen? In der Aufführung selbst ist jeder Gedanke an die aus Pietätsgründen abgesagte Übertragung auf den Max-Joseph-Platz fern. Und im Anschluss findet auch das statt, was am 31. Juli immer stattfindet: Die Mitarbeiter der Staatsoper kriegen ein Bier und was zum Essen, die Hinterbühne ist sehr, sehr voll, man wünscht einander einen schönen Urlaub und die Umtriebigeren gehen danach noch auf das wie stets mit einem Zauber behaftete Fest der staatlich angestellten Bühnentechniker in die Kantine respektive deren Schmuckhof.

Die Aufführung der "Meistersinger" selbst endet mit einem sogar für Münchner Verhältnisse bemerkenswerten Applaus, bei dem eine Sache auffällt: Kirill Petrenko schafft es inzwischen, ganz alleine den ihm zugedachten Jubel entgegen zu nehmen. Immer noch scheu ist er dabei, aber so wie früher, dass er sich entweder am Bühnenvorhang festhielt oder sich gleich ganz hinter großen Sängern versteckte, so ist es nicht mehr. Aber er hat immer noch die Aura, die besagt, er könne doch gar nichts dafür, wenn sein Orchester so grandios spielt.

Das tat es auch, natürlich, nur bei der Prügelfuge ging es ein bisschen durcheinander, wozu auch der ansonsten wieder herrliche Chor seinen Teil beitrug. Eine Marginalie, denn zum einen passiert das bei "Meistersinger"-Aufführungen oft, vor allem, wenn man wie Petrenko jede Zaghaftigkeit verweigert: Und zum anderen weiß man ja noch, wie es bei der Premiere im Mai klang: gestochen scharf.

Sängerisch alles wie gehabt, auch wenn die Meister bei der Premiere, vielleicht befeuert von der damals gerade erst zurückliegenden Probensituation, einen Tick plastischer spielten. Okka von der Damerau (Magdalene) hat an Strahlen noch zugelegt, Jonas Kaufmann klingt ein bisschen belegt, spielt aber prima, der Beckmesser ist ein anderer, was ein bisschen schade ist: Bei der Premiere machte Markus Eiche jedes Begehren eines noch nicht alten Mannes plausibel; nun singt zwar Martin Ganter mit toller, knackiger Präsenz, verfällt aber zu sehr in rollentypische Klischees. Dass sein Beckmesser am Ende den Selbstmord statt Amoklauf wählt (siehe Absage "Oper für alle"), ist mehr Behauptung als plausibel. Absolut großartig, wieder: Wolfgang Koch als Sachs, jung und menschlich groß, fabelhaft gut.

© SZ vom 02.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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