Kurzkritik:Charmant überdreht

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"Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen"

Von Ralf Dombrowski, München

Liebe ist langweilig, machen alle. Die Selbstbekenntnisse larmoyanter Ich-Botschafter wurden im Laufe der Jahre ebenfalls umfassend ausgewalzt, und die Hodensack-Rhetorik irritierter Männlichkeit kann eigentlich niemand mehr ernsthaft hören. Das Portfolio der Pop-Themen ist ausführlich abgearbeitet, ein paar Seitenlinien allerdings sind übrig geblieben, um die sich bislang kaum jemand gekümmert hat. Der große Kölner Pfandflaschenbetrug zum Beispiel ging spurlos an der Öffentlichkeit vorbei. Ebenso wurde der beste Zechpreller der Welt in seiner Kreativität niemals ausreichend gewürdigt. Darüber hinaus ist das aufklärerisch humoristische Schaffen Werner Enkes aus dem Kulturbewusstsein verschwunden.

So gibt es inhaltlich Futter genug für Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen, um abenteuerliche Lieder zu schreiben. Vor gut fünf Jahren fand sich das Quintett um den Sänger und Songschreiber Carsten Friedrichs im Hanseatischen Norden zusammen und seitdem schlendert es herzlich lakonisch am Mainstream der neue Liedermacherei vorbei. Musikalisch präsentiert sich die Liga bei ihrem Stopp in der Roten Sonne stilistisch klar in der Tradition britischer Indie-Ahnen wie The Jam oder den Undertones, vermischt die akustische Präsenz aber mit einer intellektuellen Schlaksigkeit, die der Musik das Flair des charmant Überdrehten verleiht. Friedrichs moderiert lustvoll hibbelig, die Songs sind auf den Punkt gebrachte, klanglich kompakt verpackte Beobachtungen der Reizfülle des Urbanen. Das reicht von der Melancholie, alleine auf Partys zu gehen, bis hin zum ultimativen Mutmacher "Jeder auf Erden ist wunderschön (sogar du)".

Klar, die Liga ist ein Spaßprojekt. Aber eines, das unter der Oberfläche der Textspielereien Impulse mitschickt, sich über den tagtäglichen Wahnsinn Gedanken zu machen. Nicht existenziell, aber nachhaltig genug, um zu erkennen, dass Lieder wie diese weit mehr mit dem Leben zu tun haben, als es auf den ersten Blick den Eindruck macht.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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