Kurzkritik:Böser Bruder

Lesezeit: 1 min

Marilyn Manson zelebriert Finster-Rock im Zenith

Von Ralf Dombrowski, München

Jim Morrison eröffnet mit "The End" aus dem Off das Konzert, gefolgt von Mozart mit ein paar Takten aus dem "Requiem". Denn ein bisschen traditionelle Apokalypse gehört zur Show, mit der Brian Warner unter dem Pseudonym Marilyn Manson als böser Bruder von Alice Cooper in immer neuen Variationen durch die Welt zieht. Seine Botschaft ist der Schock, sehr amerikanisch in der Fixierung auf Reizthemen des Puritanischen wie Sex, Tod und Antichrist, kombiniert mit etwas Wahnsinn und dem Gruseltrick, Alltägliches wie bei "Sweet Dreams" in Phobisches umzumünzen.

Das ist Entertainment mit Nervenkitzel, den Manson gelegentlich zu steigern weiß, als er etwa unlängst in San Bernadino mit einer Gewehrattrappe kurz nach dem Blutbad in Texas ins Publikum zielte. Vor allem aber ist es Mummenschanz mit viel Kunstblut und Kostüm, das vor einem säkularen, der christlichen Metaphorik entwöhnten Publikum wie im ausverkauften Zenith keine Ablehnung, sondern den Spaß am ritualisierten Tabubruch provoziert. Manson weiß das, zumal er durch seine Beinverletzung auch an seine eigene, lästige Endlichkeit erinnert wird. Und er ist souverän genug, das Handicap in ein theatralisches Moment umzuarbeiten. Vom satanischen Rollstuhl über die blutrote Krankenliege, auf der er sich wie irre wälzt, bis hin zu zwei als OP-Helfer verkleidete Sekundanten auf der Bühne zelebrierte er das Irritierende der körperlichen Hinfälligkeit, passend zum herben, wuchtig präsent gemischten Finster-Rock seiner vier Bandkollegen. Musikalisch hatte er von Hits wie "This Is The New Shit" bis hin zu neuen Songs wie "We Know Where You Fucking Live" viel Sinistres im Gepäck, wobei die Zwangspausen, in denen er sich im Bühnendunkel für die Rollen seiner Songs umkleiden ließ, dem Programm das Tempo und das womöglich Beängstigende nahmen. Nach einer guten Stunde und kurzer Zugabe machte Manson sich dann vom Acker. Schließlich braucht auch der Antichrist ein wenig Ruhe.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: