Kurzkritik:Betörend

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Oud-Spieler Anouar Brahem mit Jazz-Kollegen in der Philharmonie

Von Jürgen Moises, München

Das Wort "Maqam" bedeutet in der arabischen Musik so viel wie Modus oder Tonfolge. Nur steht in dem Fall kein gleichmäßiges System aus Halb- und Ganztonschritten dahinter, sondern eine Vielzahl an komplexen Skalen, die voller Viertel- und Mikrotöne sind. Wer ein bestimmtes Maqam verwendet, drückt damit eine bestimmte Emotion aus. Und wenn der tunesische Oud-Virtuose Anouar Brahem sein mittlerweile zwölftes Album "Blue Maqams" nennt, dann ist damit tatsächlich auch schon so Einiges über die Musik gesagt. Diese präsentiert sich in der Tat "a kind of blue", das heißt im Wesentlichen melancholisch und um das improvisatorische Moment des Jazz erweitert.

Für dieses zuständig sind neben Brahem der Kontrabassist Dave Holland, der Pianist Django Bates sowie der Schlagzeuger Jack DeJohnette. Ein veritables Allstar-Trio, das nun zusammen mit dem 60-jährigen Tunesier auch live in der fast ausverkauften Philharmonie zu erleben war. Eine gewisse Wehmut war auch hier in der Musik zu spüren, aber genauso eine große Freiheit und Gelassenheit. Da bewies Dave Holland mal wieder, dass er nicht nur ein eleganter wie verlässlicher Begleiter ist, sondern auch ein brillanter Melodiker, der seinen Bass in Stücken wie "Bahia" in den schönsten Tönen singen lassen kann. Jack DeJohnette beeindruckt mit seinem schwebenden, federnden Spiel, mit feinsinnigen Strichen auf Becken und Hi-Hat, darf an einzelnen Stellen aber auch mal beherzt und kräftig zupacken.

Django Bates steuert mit seinem lyrischen, impressionistischen Spiel dazu einen Hauch von Debussy bei und tritt in ein subtiles Zwiegespräch mit dem eleganten, sinnlichen, heptatonischen Oud-Spiel von Anouar Brahem. Dessen schwärmerische, elegische, zuweilen auch folkloristisch heitere Kompositionen lassen all das zu. Sie bieten viel Raum für Dialog und Austausch, für ein betörendes Wechselspiel zwischen Orient und Okzident, das einen als Zuhörer knapp zwei Stunden lang in Bann nimmt.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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