Kurzkritik:Beklemmend

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Peter Androschs Passion fragt nach der Existenz Gottes

Von Andreas Meixner, Passau

Wo war Gott in Auschwitz? Wo ist er in Aleppo, bei Krankheit und Tod? Der Mensch steht alleine da, geschunden und gebrochen von dem Leid, das er erträgt und anderen zufügt. "Ecce Homo!", schreit der Chor ekstatisch am Anfang der deutschen Erstaufführung von Peter Androschs Passionsvertonung mit dem Titel "Passion" in der Passauer Heilig-Geist-Kirche. Hier wird die Erlösung nicht im Heilsversprechen der Leidensgeschichte Jesu gesucht, sondern Gott in schierer Verzweiflung angeklagt und in Frage gestellt. Androsch konstruiert seine Komposition kammermusikalisch, eine Continuo-Gruppe mit Orgeltruhe, Solisten, Chor, drei Holzbläser und ein zentrales Cembalo lassen eine Reminiszenz an barocke Vorbilder erahnen, klanglich gibt es in keinem Moment Annäherung.

Die Musik ist zerrissen, zerfetzt. Keine Harmonie ohne Störton, Cluster bilden die Grundierung für die Darstellung völlig desillusionierter menschlicher Existenzen, die mit Textcollagen der Librettistin Silke Dörner in klarer Nüchternheit die Theodizee beklagen, oder in lyrisch reduzierten Momenten zu stottern beginnen. Konzentriert und exakt sind das Instrumentalensemble und der Chor der Anton Bruckner Privatuniversität aus Linz dabei zugange. Vom Cembalo aus ordnet Thomas Kerbl die vertrackten und rhythmisch verschobenen Einsätze, sorgt für die nötigen Impulse in der sensiblen Partitur, die in der 70-minütigen Aufführungsdauer kaum Momente der Entspannung bietet. Katerina Beranova glänzt in den extremen Lagen ihrer Sopranpartie mit blitzsauberer Intonation, der Bassist Robert Holzer und Christa Ratzenböck als Mezzosopranistin sind souveräne Könner, gestalterisch von großer Ausdruckskraft. An ihnen liegt es nicht, dass die Gesamtkonzeption in manchen Momenten schwächelt.

Die schier endlosen Wortwiederholungen sind als dramaturgisches Mittel irgendwann verbraucht, zum Ende verpufft die Wirkung im Bemühen um die ganz große Geste. Das andere ist die totale Hoffnungslosigkeit dieser Perspektive: Ein sinnvolles Leben ohne Gott scheint nicht möglich. Oder doch? Vielleicht möchte Peter Androsch diesen Diskurs provozieren. Ansonsten wären die letzten Atemzüge der Sterbenden, die der Chor zum Schluss setzt, völlig ohne Trost. Ein beklemmendes Werk, dass trotz seiner Unvollkommenheit nachwirkt.

© SZ vom 11.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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