Die meisten werden Nico Semsrott zum ersten Mal im Fernsehen gesehen haben. Genauer gesagt seine Kunstfigur: einen mit Jeans und Hoody (dessen Kapuze er stets auf hat) gekleideten Ausbund an jugendlicher No-Future-Depression, der mit matter Stimme und stoischer Miene Sätze von ausgesuchter Hoffnungslosigkeit und gesteigerter Miesepetrigkeit spricht. Nach so einem Kurzauftritt hatte man immer den Eindruck: Das kann doch nie und nimmer ein komplettes Bühnenprogramm tragen. Wie man jetzt im Lustspielhaus beim neuesten Update seines stets "Freude ist nur ein Mangel an Information" benannten Solos, der Version 2.5, beobachten konnte, geht das aber sehr wohl. Und wie.
Dass das Ganze als "Demotivationstraining" überschrieben ist, kann man getrost als ironisch abhaken. In Wahrheit ist Semsrott ein Ritter der Aufklärung. Wenn auch einer von der traurigen Gestalt, der anders als das literarische Pendant um die Aussichtslosigkeit seines Unterfangens weiß. Einmal zitiert er sogar die Kantschen Grundfragen, was bei ihm natürlich wie alles andere in Ausweglosigkeit mündet. In eine höchst vergnügliche und mitunter äußert erhellende freilich. Denn Semsrott schlägt aus seinen Depressionen nicht nur einen absurden, stets die Erwartungen unterlaufenden Humor, er füttert sie auch mit tiefschürfenden Analysen an, die er gern durch Grafiken veranschaulicht.
Da führt er den aktuellen Ausbruch des Populismus schlagend auf die Widersprüchlichkeit der modernen Welt wie unser krudes System eines "humanistischen Kapitalismus" zurück, erläutert ganz en passant, wie aus der Leistungsgesellschaft eine ungerechte Erfolgsgesellschaft geworden ist oder beleuchtet im großen, lustigen Bogen das Spannungsfeld zwischen Vernunft und Trieben. Das ist nicht nur in eine außergewöhnliche Bühnenform gebracht und erschütternd schwarzhumorig, sondern auch sehr klug. Den unlängst zuerkannten Deutschen Kleinkunstpreis 2017 hat er verdient.