Kurzkritik:Auffällig klug

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"Die Heiterkeit" im Unter Deck

Von DIRK WAGNER, München

Wegen der aufgestauten Hitze im ausverkauften Unter Deck kommen bereits Assoziationen mit einem Sauna-Gang auf, als die in Hamburg gegründete Formation Die Heiterkeit ihr Set mit dem Stück "Die Kälte" von ihrem aktuellen Album eröffnet. "Das Blut hört auf zu fließen, die Kälte strömt in den Körper", singt die Bandgründerin Stella Sommer als letzte Übriggebliebene der Urformation mit ihrer markant tiefen Stimme. Ein wenig erinnert diese Stimme auch an Ingrid Cavens "Die Großen Weißen Vögel", das seit Jahren jedes Tocotronic-Konzert schließt. Nur dass Sommers Gesang nicht den Tod eines Seemanns betrauert, sondern den Tod eines jeden sachlich und geradezu emotionslos thematisiert. "Wenn es soweit ist, werden wir es wissen", heißt es dazu im letzten Song des Konzerts, "The End". Und tröstend fügt der Chorgesang hinzu: "Es wird in Ordnung sein."

Ein wenig sakral muten die Chorgesänge an, die von der Bassistin Hanitra Wagner und der Synthesizer-Spielerin Sonja Deffner mitgetragen werden. Die Rhythmen, die der Schlagzeuger Philipp Wulf darüber legt, irritieren mehr als dass man zu ihrem Takt auch noch tanzen möchte. Wobei die Irritation wahrscheinlich auch dem Umstand geschuldet ist, dass hier eine Band eine Popmusik erschafft, die sich weit jenseits der bestehenden Popstrukturen eine ganz eigene Identität schafft. Und obgleich diese Identität so auffällig klug ist, scheint sie wenig verkopft zu sein, was sie letztlich noch glaubwürdiger erscheinen lässt.

Aus diesem Grund geraten die Songs der Heiterkeit auch live so spannend, dass dem dicht gedrängten Publikum weder die zunehmende Hitze im sauerstoffarmen Unter Deck das Konzert verleidet, noch der ungünstige Umstand, dass die Band wegen einer zu niedrigen Bühne von den meisten Zuschauern gar nicht gesehen werden kann. Als Blickfang dient lediglich der rote Lampenschirm, der gleich einem Totenlicht einsam über der Bühne strahlt. Und irgendwie passt dieses Bild dann auch ganz gut zur besinnlichen Musik der Band.

© SZ vom 17.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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