Sigmund Freud sah einen Reiz der Literatur in der Möglichkeit, den Tod über die Identifikation mit sterbenden Figuren zu erleben und zugleich dank der sicheren Distanz als Leser zu überleben. Für solche Tricks brauchen Popmusiker allerdings keine Lektüre. Sie inszenieren stattdessen in werbewirksamen Abschiedstourneen ihre eigenen Bestattungen, und noch ehe ihre trauernden Fans "Frohe Ostern" sagen können, sind sie wieder frisch auferstanden auf der Bühne.
Fünf Jahre, nachdem auch A-ha auf einer letzten gemeinsamen Tournee das Mikrofon abgegeben hatten, touren auch sie wieder mit neuem Album im Gepäck. Das fügt sich ganz ordentlich in das Hit-Feuerwerk, das die Norweger nun in der mit 7500 Zuschauern nur etwas über die Hälfte gefüllten Olympiahalle abbrennen. Die vakanten Plätze werden schon bald von der großartigen Stimmung ausgeblendet, die das von weiteren Musikern unterstützte Trio immer noch freizusetzen weiß.
Dafür ist unter anderem aber auch Anneli Drecker zu danken, Sängerin der norwegischen Formation Bel Canto, die in dieser Show nicht nur als Background-Sängerin fungiert, sondern auch mal den eigentlichen Sänger Morten Harket ersetzt. Nachdem schon die Songs "Verve" und "Lifelines" hintereinander vom Gitarristen und Keyboarder gesungen wurden, damit Morten seine Stimme schonen kann, trägt Anneli Drecker nun vor einer beeindruckenden Kirchenfenster-Kulisse nicht minder beeindruckend "Here I Stand And Face The Rain" vom 1985 erschienenen A-ha-Debütalbum vor. Erst gegen Ende des Liedes kehrt auch Morten Harket auf die Bühne zurück. Den restlichen Song singt er mit, als würde dieser dadurch noch eine Steigerung erfahren. Es bleibt unklar, ob hier die Fans eher die Sängerin oder Mortens Wiederkehr bejubeln. Klar ist jedoch: Selbst wenn niemand die zurückgekehrten A-ha vermisst hätte, überzeugen sie am Ende doch.