Missratene Ballettschulaufführungen dienen als Klischee. Denn kaum eine andere Bühnenkunstform sieht so schnell so albern aus, wenn die Choreografie und künstlerische Vision des Stücks nicht dem Niveau und dem Alter der Tänzer entsprechen. Im schlimmsten Fall tanzt dann eine Zehnjährige den sterbenden Schwan im weißen Tutu - die perfekte Parodie des klassischen Balletts. Kinsun Chan jedoch schätzt das Können und die geistige Reife seiner Tänzer richtig ein.
Nun hat der kanadisch-schweizerische Choreograf erneut ein Stück für die Münchner Ballettakademie choreografiert. Wie dessen "JIT - Just in Time", das im vergangenen Jahr bei der Heinz-Bosl-Matinée im Nationaltheater aufgeführt wurde, beweist Chan auch bei der dritten Matinée der Saison im Nationaltheater mit der Uraufführung von "Storm" seine Fähigkeiten. Chan benutzt dabei einfache Bühnenzaubereien wie eine gut abgestimmte Tänzergruppe in langen Mänteln, die samt Regenschirmen als Requisit beeindruckend organische Formationen bilden. So treffen in der großartig gewittrigen Musik von Michael Gordon ein mystisches Harry-Potter-Umfeld auf das sanfte Aufkeimen von Zwischenmenschlichkeit. In einem passenderen Assoziationsraum kann man für Teenager wohl nicht choreografieren.
Das Gegenteil dazu zeigt hingegen das Bayerische Staatsballett II. Die Juniorkompanie mag in August Bournonvilles "La Ventana" nicht zünden. Die Tänzer kämpfen mit der kleinteiligen Fußtechnik, die Choreografie gibt zu Wackelpartien neigende Adagios und Pantomimen vor, denen die junge und durchaus schön geformte Kompanie noch nicht gewachsen ist. Mit Norbert Grafs "Avedis" tanzen jedoch die Staatsballett-II-Tänzer Sarah Schäfer und Benjamin Balazs zuvor ein hinreißendes Duett, voll ihrem eigentlich sehr hohem Niveau entsprechend, während der Akademie-Nachwuchs sich ebenso anmutig im Pas de Deux aus Kirill Melnikovs "Cinderella" zeigt.