Kurzkritik:Alles Lügen

Lesezeit: 1 min

Der Musikkabarettist Michael Krebs im Schlachthof

Von Oliver Hochkeppel, München

Gegen die irrationale, an niedere Instinkte andockende Mixtur aus Genöle, Ressentiment und Propaganda, die von Rechtsaußen wieder salonfähig gemacht worden ist, kann man vielleicht am besten vorgehen, indem man sie so lächerlich macht, wie sie ist. So wie im Song "Lügen", den Michael Krebs im Schlachthof als Zugabe spielt. Da steigert sich das Wutbürgertum ins Absurde: Es regnet und stürmt? "Das ist nicht das Wetter, das mir versprochen wurde - Lügen-Wetter, Lügen-Wetter!" Keine Kumpels, mieser Job? "Das ist nicht das Leben, das mir versprochen wurde - Lügen-Eltern, Lügen-Eltern!" Kerne und Schale im Getränk? "Das ist nicht der O-Saft, der mir versprochen wurde - Lügen-Presse, Lügen-Presse!"

Der Song stammt nicht aus den eigenen Programmen, sondern von seiner "Arbeitsgruppe Zukunft" mit Marc-Uwe Kling und Julius Streicher. Aber er ist typisch für den Komik-Mechanismus seiner Texte, der mit dem uneigentlichen Sprechen arbeitet: Krebs prangert Missstände oder Zeitgeist-Idiotien nicht offen an, er legt ihre Dummheit frei, indem er sie überspitzt nachbetet oder in andere Zusammenhänge stellt. Etwa wenn er in "Wir bauen eine Schule" die ganzen Behördenakte herunterhaspelt, die sich im unterversorgten Berlin ganz real auf neun Jahre addieren. Oder wenn er in "Traurige Lieder" die Neue Deutsche Weinerlichkeit der hiesigen Popszene karikiert. Oft hat das mehr Tiefgang als ein Frontalangriff, manchmal ist's auch einfach nur herrlich albern.

Diese sanfte Ironie funktioniert auch bei der direkten Ansprache ans Publikum. Krebs ist eben auch ein ausgezeichneter Entertainer. Viel passiert da über die Wandlungsfähigkeit seiner Sprech- wie Gesangsstimme, und natürlich ganz viel über die Musik, denn pianistisch und beim Songwriting macht ihm kaum einer etwas vor. Im Schlachthof, bislang sein München-Spielort, hat er sich damit vom Ox in den großen Saal hochgearbeitet. Ist aber eigentlich Zeit, dass er bei der großen Kleinkunstgemeinde ankommt.

© SZ vom 16.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: