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Die Münchner Symphoniker unter Darrell Ang in der Philharmonie

Von Klaus Kalchschmid, München

Bei lautem Husten werden höhere Dezibelgrade gemessen als beim Fortissimo einer Trompete. So hörte es sich auch an, als in der Philharmonie derart laut in die leiseste Stelle der wunderbaren Chopin-Nocturne-Zugabe von Michail Lifits hineingebellt wurde, dass man sich fragte, warum so wenige Besucher von Oper und Konzert, die doch eigentlich sensibel sein müssten, nichts tun, um ihr Husten zu dämpfen: durch schlichtes Nach-unten-Beugen und Benutzung von Armbeuge wie Taschentuch. Manche Konzertveranstalter schreiben diese Bitte ausdrücklich in ihre Programme - meistens auch mit Erfolg!

Glücklicherweise war das übrige Programm der inspirierten Münchner Symphoniker unter der hervorragenden Leitung von Darrell Ang über weite Strecken so expressiv, dass der Versuch erfolgreich war, das auch ansonsten ausgiebige Husten einfach nicht zu Kenntnis zu nehmen. Schon bei Edvard Griegs erster Suite aus seiner Schauspielmusik zu Ibsens "Peer Gynt" spielten die Münchner Symphoniker auf hohem Niveau: voller zarter Spannung und mit warmem Streichton bei "Morgenstimmung" und "Åses Tod", fulminant in der Troll-Jagd, die "in der Halle des Bergkönigs" am Ende wild explodiert.

Michail Lifits war danach ein exzellenter Solist in Griegs Klavierkonzert. Denn er bewies bei seinem erstaunlichen Debüt mit diesem a-Moll-Konzert nicht nur Präzision, Frische des Zugriffs und virtuose Pranke, sondern war auch in den lyrischen Passagen vor allem des langsamen Satzes mit feinem Sinn für Klang und Phrase überzeugend.

Mit elf Ausschnitten aus Peter Tschaikowskys "Schwanensee"-Ballett - darunter die komplette Suite op. 20a - wehte dann ein oftmals herrlich stürmerisch tänzerischer Wind durch die Philharmonie. Es blieben keinerlei Wünsche offen, so farbig und differenziert, so leuchtend kräftig und homogen wurde da musiziert. In den spanischen, ungarischen und neapolitanischen Tänzen durfte es auch mal derber zugehen, und die Polonaise aus dem ersten Akt erstrahlte nur so vor Feierlichkeit. Zu Beginn und vor allem beim Finale des vierten Akts aber zogen Musiker und Dirigent sämtliche Register an leidenschaftlicher, tief in Herz, Seele und Körper dringender Dramatik.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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