Kurzkritik:Ab auf den Mars!

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Nora Abdel-Maksud, Abak Safaei-Rad, Svenja Liesau und Suna Gürler. (Foto: Ute Langkafel MAIFOTO)

Sibylle Berg ruft am Berliner Gorki Theater den Untergang aus. Ihr Stück "Nach uns das All - das innere Team kennt keine Pause" ist charmant und witzig.

Von Mounia Meiborg

Sibylle Berg surft eindeutig zu viel im Internet. Da kann man schon mal auf defätistische Gedanken kommen. Zum Beispiel auf den, dass die Welt von hassenden Menschen dominiert wird, die meist männlich sind. Sie mögen: autoritäre Führer, die Todesstrafe, Outdoor-Jacken, blonde Kinder, Waffen. Sie mögen nicht: Frauen, die zu viel reden, Frauen, die sich ihre Sexpartner selbst aussuchen, Dunkelhaarige und Bartträger, ausländische Wurstsorten, Tofu.

So ist die Lage in Sibylle Bergs Stück "Nach uns das All - das innere Team kennt keine Pause", uraufgeführt am Berliner Gorki Theater. Europa gibt's nicht mehr, Deutschland ist zu einer Diktatur mutiert, in der Selfies auf gut Deutsch "Selbsties" heißen und Menschen sich nur noch in Schützenvereinen und Jagdgruppen treffen. Vier Frauen wollen auf den Mars flüchten. Aber vor dem Abflug müssen schnell noch die richtigen Sexualpartner gefunden werden, um das Überleben zu sichern.

Auf Papier ist so viel Weltekel streckenweise ermüdend. Auf der Bühne aber wird in der Inszenierung von Sebastian Nübling großes Kabarett daraus. Wie schon in den ersten beiden Teilen von Bergs Serie - "Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen" und "Und dann kam Mirna" - setzt er auf chorisches Sprechen, hohes Tempo und eine Choreografie von Tabea Martin, die gekonnt unperfekt Musikclips imitiert.

Vier Frauen und vier Männer in orangefarbenen Weltraumanzügen leiden nicht nur an der Weltlage, sondern auch an sich selbst. Es geht um sogenannte Liebesbeziehungen, von denen keiner weiß, wie sie funktionieren sollen. Um selbstoptimierendes Yoga ("Dein Körper ist dein Tempel"). Und um die Frage, ob man die Mehrheit vielleicht überfordert hat mit den vielen Anti-Diskriminierungs-Geboten. All das ist großartig gespielt. Um eine politische Analyse geht es hier nicht. Es bleibt Wohlfühltheater. Aber dabei so charmant und komisch, dass es in diesen Tagen etwas Tröstliches hat.

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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