Kunstmesse:Wilder Ritt

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Diese Marmorskulptur (Italien, 19. Jahrhundert) war Teil eines Brunnens. (Foto: Gallery Victor Werner/Emmanuel Crooÿ)

Die Brüsseler Brafa begeistert mehr denn je mit ihrem Mut zu Eklektik und Crossover. Ihre Stärken liegen allerdings immer noch bei Antike und außereuropäischer Kunst.

Von Dorothea Baumer

Jahrelang galt sie als Geheimtipp, jetzt zeigt sie sich in Hochform: die Brüsseler Kunst- und Antiquitätenmesse Brafa, das erste große Messeereignis jeweils zu Beginn des Jahres. Nun gab es auch in der Vergangenheit schon gute Gründe für eine Reise. Doch seit die Messe 2002 in die Industriehallen auf dem ehemaligen Gelände der Post- und Zollstation von Thurn & Taxis umzog, ist die internationale Ausrichtung der Messe stetig gewachsen. In diesem Jahr ist die Messe mit 137 Händlern noch einmal größer geworden, aber auch frischer und moderner, ohne darüber ihre so sympathische, angenehm entspannte Atmosphäre zu verlieren.

Die großen Qualitäten der Brafa sind zweifellos ihre Vielfalt und ihr Konzept einer reizvollen, ja verführerischen Durchmischung aller Sparten. Hier befriedigt der eingefleischte Sammler nicht in einer eng umgrenzten Sektion seine Jagdgelüste nach neuen Trophäen. Er ist vielmehr genötigt auf dem Weg zu den einschlägigen Spezialisten den Blick auch anderweitig schweifen zu lassen, und die Chance, abseits der Route die eine oder andere überraschende Entdeckung zu machen, ist groß.

Selbst ungewohnte Nachbarschaften werden ohne Scheu zelebriert. Der Blick von der Antike ins mondäne Interieur und umgekehrt fördert die Lust an der Kunst. Ansprechende Bildervorräte mit einem deutlichen Akzent auf belgischen und französischen Schulen sind garantiert und reichen von den noch immer erstaunlich gut vertretenen Altmeisterwerken bis in die Moderne und hin zu sporadischen Ausflügen ins Zeitgenössische.

Die Stärken der Messe liegen bei Antike und außereuropäischer Kunst - vor allem aus Afrika

Man zeigt gute, nicht die teuersten Qualitäten und bietet gleichwohl Ausnahmestücke wie De Jonckheere mit einer kleinen Kartenspieler-Szene von Jan van Amstel: neue Sachlichkeit aus dem 16. Jahrhundert, 420 000 Euro teuer. Was die Moderne anbelangt, trifft man häufig auf Arbeiten der CoBra-Künstler, wenn auch nicht überall so monumental wie am Stand von Die Galerie aus Frankfurt, wo Karel Appels Drei-Meter-Gemälde "Witnessing the Dawn" von 1987 für 340 000 Euro angeboten wird. Mit den Spezialmessen will und kann man dennoch nicht konkurrieren.

Die Stärken der Messe liegen anderswo: bei den Antiken und der außereuropäischen, vor allem afrikanischen Kunst. Beide Bereiche sind so stark vertreten wie nie zuvor. Welche Raritäten allein an ägyptischen Stücken hier versammelt sind, kann bei Harmakhis eine im dritten vorchristlichen Jahrtausend entstandene Vase in Froschgestalt belegen, auch das mit leuchtenden Malereien veredelte Seitenteil eines Sarges bei Roswitha Eberwein, oder ein großartiger und hervorragend erhaltener Mumiensarg der 26. Dynastie, der bei Gezelbash für 380 000 Euro zu erwerben ist. Selbstverständlich sind die Provenienzen stets angegeben.

Günter Puhze aus Freiburg, der zehn, fünfzehn Jahre lang Juror der Brafa war und nun erstmals ausstellt, hat als Lieblingsstück einen griechischen Miniatur-Krater mitgebracht, dessen Feinheit der Malerei ihn begeistert. Trotz seiner Kleinheit kostet er allerdings den nicht ganz kleinen Preis von 75 000 Euro.

Ein Weltforum ist man versucht das Aufgebot der Brüsseler und Pariser Afrika-Händler zu nennen. Da wäre die exzeptionelle Qualität einer kleinen weiblichen Senufo-Figur wie einer männlichen Lulua-Statuette, deren Preise der Händler Bernard Dulon nur mit einer weiten Geste andeutet. Für das schroffe Schnitzwerk eines mächtigen Hauspfostens der Dogon "Togu Na" mit weiblichen Attributen dagegen werden bei Schoffel-Fabry 35 000 Euro erwartet.

Die erlesen bestückte Koje von Claes Gallery dürfte noch jeden Kenner zu andächtigem Staunen bringen - und zu einem Qualitätsvergleich anregen: zwischen zwei sehr ähnlichen Songye-Figuren mit - 45 000 und 160 000 Euro - sehr unterschiedlichen Preisen. Pierre Dartevelle schließlich vertraut ganz der starken Dynamik einer eindrucksvollen, im 19. Jahrhundert in Kamerun entstandenen königlichen Figur "Defem", für die ein Liebhaber 200 000 Euro aufbringen müsste.

Zu einem weiteren Schwerpunkt dieser Messe ist modernes Design geworden. Der Belgier Axel Vervoordt, ein Pionier des Eklektizismus, ist selbstverständlich an vorderster Front dabei. In der der betonrauen Inszenierung seines Standes trifft dänische Möbelkunst der Dreißigerjahre in Eiche und Leder auf Lapislazuli und ein Nagelbild von Günther Uecker.

Die jüngste Galerie, eine Gründung von 2014, nennt sich schlicht Le Beau und hat neben Skandinavischem eine raffinierte Konsole von Paolo Buffa aus den Fünfzigern im Programm. Nicht sehr lang auf seinem Tisch-Unikat dürfte Futur Anterieur sitzen bleiben, einem höchst aparten anonymen Entwurf aus den Sechzigerjahren in abstrahierter Schildkrötenform (25 000 Euro).

Ein geradezu sensationeller Coup ist dem Händlerteam Dierking, Landau, Salis gelungen. An ihrem Stand findet nicht nur ein in Kriegszeiten 1944/45 von dem gelernten Schmied Jean Prouvé entworfenes, sechs mal sechs Meter großes, zerlegbares Holzhaus Platz, das heute zu einer 900 000 Euro teuren Designikone geworden ist. In bester eklektischer Manier harmoniert bei ihnen zudem Exemplarisches aus verschiedenen Welten, römische Möbel des 18. Jahrhunderts mit afrikanischen Skulpturen und zeitgenössischer Malerei und spiegelt so noch einmal die tragende Formel dieser Messe.

Brafa. Tour & Taxis, Brüssel. Bis 31. Januar. www.brafa.be.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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