Kunstmesse:Post-Leonardo

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Seit dem Rekordpreis für Leonardos "Salvator Mundi" rechnet der Kunstmarkt in Millionen, selbst für Zeitgenossen. Auf der Art Basel profitiert von der ungebändigten Nachfrage der neuen Sammler vor allem die Malerei.

Von Catrin Lorch

Der Künstler war ein unruhiger Geist. Statt ein Werk zu begründen, berief Martin Kippenberger lieber die Lord-Jim-Loge ein und plante ein internationales Metro-System, dessen Eingang auf der zehnten Documenta aus dem Boden ragte, während er im deutschen Pavillon von Venedig einfach ein Gitter als Lüftungsschacht installierte. Sein bekanntestes Werk, "Zuerst die Füße", ist ein ans Kreuz genagelter Frosch, es trieb Katholiken in den Hungerstreik.

Bilder? Ende der Siebzigerjahre gab er so was unter dem Titel "Lieber Maler male mir" bei einem Plakatmaler in Auftrag, später kritzelte er Zeichnungen auf Hotelbriefpapier, Anfang der Neunziger entstanden dann dreidimensionale Bilder aus Gummi. Es war immer Abwehr im Spiel, wenn sich der 1997 gestorbene Künstler mit dem ältesten Medium der Kunst beschäftigte. So auch bei diesem gewaltigen Gemälde aus dem Jahr 1992, das den Titel "Untitled (from the series Hand Painted Pictures)" trägt, als müsse man auf die besonderen Vorzüge einer Reihe "handgemalter Bilder" hinweisen.

Hier werden die Picassos und Matisses der nächsten Generation verhandelt

Malerei war lange eine Disziplin, der man als Künstler durchaus mit Ironie, Spott oder Zynismus begegnen durfte. Da beschäftigten sich Kunsthallen, Museen - und irgendwann sogar Sammler - lieber mit Konzeptkunst und Installationen, mit Videokunst, Film oder Fotografie. Sogar Performances haben sich ihr Publikum erschlossen. Die Art Basel, der bedeutendste Kunstmarkt der Welt, richtete dafür schon vor Jahren eine eigene Halle ein.

Es wäre also durchaus damit zu rechnen gewesen, dass im unteren Geschoss der Art Basel irgendwann die Leinwände ausverkauft sind, spätestens seit die klassische Moderne und New York School weg sind, Pop Art und die Generation von Gerhard Richter, Georg Baselitz und Sigmar Polke. Denn auf diesen Quadratmetern wird, so heißt es, verhandelt, was wirklich Bestand hat, die Picassos und Matisses der nächsten Generation. Jetzt aber hängt da dieses Gemälde von Martin Kippenberger triefend vor Pastell und Zynismus.

Er macht sich nicht schlecht an der Außenwand von Hauser & Wirth, einer der bedeutendsten Galerien der Welt. Und es soll einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. Was womöglich nicht einmal teuer ist. Malerei hat Konjunktur. Direkt vor Messebeginn hat Hauser & Wirth annonciert, künftig den Nachlass von Günther Förg zu vertreten, die kommenden Klassiker sind Christopher Wool, Jean-Michel Basquiat, Albert Oehlen und Julian Schnabel. Es gibt kein Video und keinen Film in Halle 1.0 zu sehen, und kaum noch Fotografie. Sogar Bruce Nauman, der seit 50 Jahren die Kunst um Konzepte und Videoperformances erweitert und in Basel in einer Retrospektive gefeiert wird, kann da nicht viel ändern: Brooke Alexander Inc hängt von ihm gerahmte Werke auf Papier.

Auch ein Stockwerk höher, wo die junge Gegenwartskunst ihren Auftritt hat, sind die Sammler auf der Suche nach Malerei. Vor allem die Post-Kippenberger-Generation ist gefragt. Wie Jutta Koether oder Anne Imhof, die alle Vorbehalte gegenüber Farbe und Leinwand in ein weit zwischen Performance, Musik, Literatur und Mode aufgespanntes Œuvre integrieren, von Sammlern aber vor allem dann gut entlohnt werden, wenn es etwas auf Keilrahmen zu kaufen gibt.

Die Art Basel ist geschickt genug, diese Halle einzurahmen in ein Gesamtprogramm, das aus mehr besteht als Malerei: Von der gewaltigen Halle der "Statements", wo auch ein Glaspavillon von Dan Graham gut ausgeleuchtet wird und unzählige kleine Kabinen für Videoprojektionen bereitstehen, bis zum "Parcours" in der Stadt. Doch eine neue Generation von Sammlern will nicht auf die Kunstgeschichte warten, sie will schnelle Wertsteigerungen. Und weil derzeit viele ihr Geld mit Immobilien mehren, denken sie bei Kunst vor allem an Wände. Sogar auf der Nachwuchs-Messe Liste wird jetzt Malerei gezeigt. In manchen der Kammern einer alten Brauerei fühlt man sich wie auf dem Pariser Salon des 19. Jahrhunderts, die Wände sind mit Bildern gepflastert.

Am Boom der Blue-Chip-Kunst können nur Großgalerien teilhaben, die kleinen schließen

Eine der populärsten Arbeiten der Messewoche war ein Diptychon der 1982 geborenen Jana Euler auf dem Stand der Galerie Cabinet, der sofort verkauft war. Auf roher Leinwand hat Euler ihren Galeristen Martin McGeown porträtiert, der ihr dafür auch, als wäre man noch im eben zitierten Paris, Modell gesessen hat. Das Resultat sind zwei Porträts, auf denen er aussieht, als habe er sich als Papst verkleidet und in ein Gemälde von Francis Bacon verlaufen.

Doch Ironie wird der Kunst nicht viel helfen, da der Markt boomt wie nie zuvor. Es trennt sich, was früher eng verflochten war: Es gibt jetzt Kuratorenkunst, Museumsware und Diskurskunst, Kunst für Instagram, für Aktivisten und für die Kunstgeschichte. Und auch wenn Sammler zu jeder Zeit das Gemälde am höchsten geschätzt haben, so ist die Ausstrahlung der Auktionsrekorde, die fast nur Gemälde erzielen, in den Medien übermächtig.

Doch nur die Galeristen profitieren vom Boom, die sogenannte Blue-Chip-Ware im Angebot haben. In einer Zeit, in der mehr Galerien aufgegeben als neu eröffnet werden, will ein David Zwirner im Interview nicht dementieren, dass sein Jahresumsatz bei einer halben Milliarde Dollar liegt. Die Namen der Städte, an denen Gagosian Dependancen unterhält, passen kaum noch auf das Schild über der Koje.

Ein Grund dafür ist - so abwegig das erscheint - der Rekord-Zuschlag von 450 Millionen Dollar für Leonardos "Salvator Mundi". "Seither ist der Korken aus der Flasche", berichtet ein Kunstberater, der deutsche Malerei der Generation Kippenberger vermarktet. Die Millionen-Grenze, vor der Käufer früher zurückschreckten, ist gefallen. Man zählt und zahlt in Riesenschritten: "Alle Schranken sind weg."

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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