Kunstmarkt:Unruhiger Puls

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Hoch geschätzt, noch höher zugeschlagen: Lucas Cranachs "Bocca della Verità" spielte 9,3 Millionen Pfund ein. (Foto: Sotheby's)

Bei den zurückliegenden Auktionen mit Alter Kunst mangelte es an spektakulären Stücken. Für gute Ergebnisse sorgten oft asiatische Bieter.

Von Dorothea Baumer

Das Londoner Auktionsfinale der Alten Meister zeigte sich selten zwiespältig. Die Käufer hoben einzelne Werke in Rekordhöhen während sie andere ignorierten. Nun ist der Altmeistermarkt ein Markt mit ruhigem Pulsschlag und kaum für spekulative Investitionen geeignet. Hier winkt nicht das schnelle Geld wie bei den Modernen und Zeitgenossen und so zählte er bislang auch zu den beständigsten. Die neuen Käufer aus dem Nahen und Fernen Osten allerdings, die diese Sparte eher aus Neugierde denn aus Kenntnis für sich entdeckt haben, scheinen die Balance zu verändern.

Christie's erlebte ein kleines Waterloo. Kurz vor der Auktion wurden sechs Lose der Alfred Beit Collection von der irischen Regierung zurückgezogen. Dann versagte das Starlos, Bernardo Bellottos Dresden-Ansicht. Sie war mit acht bis zwölf Millionen Pfund sehr hoch angesetzt, und Dresden ist nicht Venedig. Es regte sich jedenfalls beim Aufruf von 7,5 Millionen keine Hand. So blieben als Highlights eine auf Rekordniveau von 2,5 Millionen Pfund gehobene Strandszene des Vorimpressionisten Richard Bonnington. Eine "Kreuzigung" der El Greco-Werkstatt brachte 2,4 Millionen, knapp zwei Millionen eine Venedig-Vedute von Francesco Guardi. Schwache 19 Millionen waren das Ergebnis.

Sotheby's dagegen traf den Käufergeschmack genau. Mit sechs bis acht Millionen stramm geschätzt, provozierte die von Lucas Cranach d. Ä. kühl zur Anschauung gebrachte Weiberlist im Bild der "Bocca della Verità" Gebote bis zur Rekordhöhe von 9,3 Millionen. Ferdinand Bols Knabenporträt übernahm ein asiatischer Bieter fast zur doppelten Taxe (5,2 Millionen), ein ebenfalls asiatischer Käufer das Stillleben von Willem Claesz. Heda (2,9 Millionen). Mit 39 Millionen Pfund Umsatz war die Konkurrenz überrundet. Was sich allerdings beide Häuser teilten, war eine hohe Rückgangsquote von 35 Prozent.

Am meisten begeisterte die Käufer das Kunstgewerbe

Solide ging es in den deutschen Auktionshäusern zu, wobei besonders das Kunstgewerbe mit guten Zuschlägen auffiel. Die großen Höhenflüge blieben aus, dafür fehlten die exzeptionellen Stücke.

Respektable neun Millionen Euro spielte Lempertz' Offerte ein, zu deren Höhepunkten ein für brutto 322 000 Euro verkauftes frühes Triptychon des Meisters von Hoogstraeten zählte, gefolgt von der Madonna eines norditalienischen Meisters (297 600) und einer Ariost-Szene aus der Rubens-Werkstatt (186 000). Keine Aufnahme fand dagegen Poussins Landschaft mit Apoll und Marsyas von 1627. Am meisten stimulierte aber das Kunstgewerbe die Bieter: ein Meißner Walzenkrug zum Beispiel, der von 30 000 auf 106 000 stieg, oder ein Kleinmöbel des württembergischen Hofschreiners Klinckerfuß, das nicht 25 000 sondern 87 000 Euro brachte. Die Schätzung weit hinter sich ließ ein von Paulus Reinman signiertes wissenschaftliches Instrument, dessen Wert Kenner von 3000 auf 285 000 korrigierten.

Erstaunlich gut lief die Alte Kunst in diversen Münchner Häusern. Bei Neumeister waren besonders zwei Cranach-Porträts und ein Gemäldepaar des 15. Jahrhunderts mit den Heiligen Martin und Georg erfolgreich. Es ging zur dreifachen Taxe für 66 000 Euro weg; auch ein anonymes Historienbild von 1800, das der französische Käufer zur achtfachen Taxe übernahm (48 260). Bei Ruef war eine Spezialsammlung von historischen Schmiedearbeiten populär, bei Ketterer eine Sammlung von Gemälden des 19. Jahrhunderts vorwiegend der Münchner Schule.

Im Berliner Auktionshaus Bassenge, das voriges Jahr mit einem sensationellen 2,6 Millionen-Zuschlag für eine Zeichnung des Romantikers Ferdinand Olivier auffiel, wurde erneut eine, diesmal aus dem Dresdner Kupferstichkabinett restituierte, Zeichnung des Künstlers eingereicht, "Studienblatt mit vier welken Blättern", angesetzt mit 120 000 Euro. 408 000 Euro setzte eine kalifornische Sammlung für das Traumstück ein.

Viel Aufmerksamkeit galt der bei Villa Grisebach versteigerten Sammlung Rohde-Hinze. Die 89 Gemälde und 300 kunstgewerblichen Arbeiten wurden zu fast 90 Prozent abgenommen, übersprangen meist locker ihre niedrige Schätzung und brachten 6,75 Millionen. Nur die beiden mit 200 000 und 300 000 Euro geschätzten Jan Brueghel-Landschaften wurden für nur knapp die Hälfte der unteren Taxe weitergereicht. Mit einem Bruttopreis von 805 000 Euro avancierte eine Landschaft von Jacob Ruisdael zum teuersten Los. Das teuerste Altmeistergemälde der Saison war es nicht. Das versteigerte das Wiener Im Kinsky: einen barocken Prachtstrauß Jan Breughels d. J. für 2,6 Millionen Euro. Beim Jugendstil setzte es mit zwei Broschen von Josef Hoffmann weitere Akzente (530 000, 353 000).

Mit zunehmender Präsenz überraschten asiatische Bieter. In Berlin übernahmen sie mit einigem Wirbel beim Kunstgewerbe der Sammlung Rohde-Hinze zwei Ming-zeitliche Bronzen zu sechsstelligen Beträgen. Nicht zuletzt ihre hohen Einsätze für moderne chinesische Malerei bescherten Lempertz mit 3,6 Millionen Euro das zweitbeste Ergebnis in dieser Sparte.

Bei Nagel in Stuttgart fiel mit brutto 692 000 Euro der höchste Zuschlag für eine tibeto-chinesische Bronze des buddhistischen Totengottes Yamantaka aus dem 15. Jahrhundert. Der Umsatz betrug zehn Millionen Euro. Hier, wo Chinesen seit Jahren zum Auktionspublikum gehören, hat man sich an die neuen Zeiten angepasst. Der Kunst- und Antiquitätenkatalog erscheint seit Kurzem auch auf Chinesisch. Eine Strategie, die sich auszahlen könnte.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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