Kunst:Zeitenwechsel

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Die Spitzen der Museumswelt werden weiblicher - nun auch in Deutschland, wo Marion Ackermann die Staatliche Kunstsammlung Dresden leiten wird.

Von Catrin Lorch

Mit der Berufung von Marion Ackermann als Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlung Dresden (SKD) wird jetzt auch in Deutschland eines der bedeutendsten Häuser von einer Frau geleitet - zumal eines, das von seiner einzigartigen Sammlung und der Ausstellungstätigkeit her vor allem für die alte Kunst steht. Die bisherige Direktorin der Kunstsammlungen des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf ist dagegen als Kunsthistorikerin dem 20. und 21. Jahrhundert verpflichtet und vor allem für die Arbeit an Moderne und zeitgenössischer Kunst bekannt: Ihre Ausstellung zum Werk der US-Malerin Agnes Martin galt im vergangenen Jahr als eine der bedeutendsten Ereignisse des Jahres.

Doch während in Deutschland der Aufstieg von Marion Ackermann an die Spitze des sächsischen Museumsschwergewichts noch nicht alltäglich ist, ist es international inzwischen kaum noch eine Überraschung, wenn Direktorenposten weiblich besetzt werden: Die Tate Modern Gallery in London, eines der bedeutendsten Museen für zeitgenössische Kunst überhaupt und der Publikumsmagnet in der Kunstmetropole an der Themse, wird künftig von Frances Morris geführt, einer Kuratorin, die seit vielen Jahren im zum Museum umgebauten Heizkraftwerk arbeitet und sich auch mit Ausstellungen von Künstlerinnen wie Louise Bourgeois und Yayoi Kusama profilierte. Und auch das Stedelijk-Museum im Amsterdam oder das Museum Moderner Kunst (Mumok) in Wien werden mit Beatrix Ruf und Karola Kraus von Frauen geleitet. Beide sind gleichfalls engagiert, wo es um die Vermittlung des Werks von Künstlerinnen geht.

Marion Ackermann bekommt in Dresden eine Schlüsselposition

Internationale Museen und Ausstellungshäuser für zeitgenössische Kunst achten inzwischen schon bei der Erstellung ihrer Shortlists mit Bewerbernamen darauf, dass dort Kuratorinnen und Kunsthistorikerinnen berücksichtigt werden. Denn in einem Umfeld, in dem Teilnehmerlisten von Biennalen oder Großausstellungen auf das Verhältnis der Geschlechter gelesen werden, müssen sich auch Kulturbeamte Fragen nach der gleichberechtigten Vergabe von Spitzenpositionen gefallen lassen. Zumal die zeitgenössische Kunst auch bei Großausstellungen weiblich besetzt: Als Catherine David in den Neunzigerjahren als künstlerische Leiterin der zehnten Documenta verpflichtet wurde, galt die Entscheidung noch als exotisch, die 13. Ausgabe der Weltkunstschau im Jahr 2012 wurde dann ganz selbstverständlich von der Kuratorin Carolyn Christov-Bakargiev geleitet, die während ihrer Tätigkeit in Kassel auch die Liste der "Einflussreichsten Persönlichkeiten der Kunstwelt", die "Power 100" des Magazins art report anführte. (Inzwischen wurde sie zur Leiterin des Castello di Rivoli bestimmt, einer der angesehensten Institutionen Italiens.) Und die kuratorische Leitung der Biennale von Venedig liegt im kommenden Jahr in den Händen von Christine Macel, derzeit Kuratorin am Pariser Museum Centre Pompidou. Wo es um Macht und Einfluss in der zeitgenössischen Kunst geht, sind nicht nur Berufungen von Frauen häufig, die Szene wird auch von mächtigen Galeristinnen wie Barbara Gladstone oder Monika Sprüth geprägt und Künstlerinnen wie Rosemarie Trockel oder Cindy Sherman.

Dass in Dresden die Wahl auf Marion Ackermann fiel, kann auch etwas damit zu tun haben, dass zeitgenössische Kunst ein Publikumsmagnet geworden ist. Gerade die Konfrontation von historischen Sammlungen und aktueller Produktion setzt eine große Vertrautheit mit beiden Bereichen voraus. Marion Ackermann steht mit ihrer Sammel- und Ausstellungstätigkeit für einen selbstbewussten Umgang mit Sammlung und Programm.

Bis der Paradigmenwechsel aber auch in allen Bereichen der großen Häuser alter Kunst oder den Berufungen an den Universitäten durchgesetzt ist, vergeht womöglich noch einige Zeit. Aber der Erfolg der Frauen in der so bedeutenden internationalen und gut vernetzten "Contemporary Art" strahlt auch in die konservativen Bereiche.

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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