Kunst vs. Vandalismus:No Sleep till 5Pointz

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Atelierkomplex 5Pointz im New Yorker Stadtteil Queens. (Foto: Frances M. Roberts/imago)

Ein New Yorker Gericht hat Graffiti-Sprayern 6,7 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen.

Von Peter Richter

Was macht man mit der Meldung, dass ein New Yorker Gericht den Graffiti-Sprayern 6,7 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen hat, die gegen den Abriss eines von ihnen bemalten Atelierkomplexes mit dem Namen "5Pointz" geklagt hatten?

Den jüngeren New Yorkern wird man alleine das Wort Graffiti erst einmal erklären müssen: heimliche Wandmalereien aus der Sprühdose, kamen von hier, sind hier groß geworden, und jetzt sind sie hier so verboten, dass New York die graffitifreieste Stadt diesseits von Singapur sein dürfte. Jahrzehntelang hatten sie die Stadt geprägt, so wie allerdings auch die Kriminalität, damals in den Siebzigern und Achtzigern. Dann kamen Bürgermeister, die meinten, gegen das eine nur vorgehen zu können, indem sie auch dem anderen gegenüber keinerlei Toleranz zeigen. Seit den Neunzigern blieben nur Refugien der Legalität wie eben diese Fabrik in Queens, die sie 5Pointz genannt hatten, nach den fünf Boroughs von New York. Es handelte sich dabei um eine alte Messgerätefabrik in Long Island City, und das ist ausgerechnet die Stelle von Queens, die Manhattan direkt gegenüberliegt und vom Aufwertungsdruck nicht ewig verschont bleiben konnte. 2013 war es so weit: Der Eigentümer kündigte und beantragte den Neubau von Wohnhochhäusern. Das wurde von der Stadt genehmigt, und der Denkmalschutz hatte nichts einzuwenden, weil die Bemalung noch nicht 30 Jahre alt war. Aber die Sprayer waren kampflustig. Es ist schließlich auch die Geschichte einer monumentalen Kränkung. Die New Yorker Sprayer waren die ersten, die es in professionelle Galerien geschafft hatten. Aber sie waren bis auf Ausnahmen vom Kunstbetrieb der Stadt nach einer Weile des Amüsements längst wieder fallen gelassen worden, als sich Europa mit der Idee anfreundete, sogenannte Street Art wirklich als Kunst zu betrachten, was in Amerika bis heute oft deutlich anders gesehen wird. Als der Popkultur-affine Kunst-Impresario Jeffrey Deitch am Museum of Contemporary Art von Los Angeles eine Ausstellung darüber gezeigt hatte, trug das am Ende auch nur dazu bei, dass er von einer mehr am Kanonischen interessierten Kunstszene dort aus der Stadt gejagt wurde. Jetzt haben es die New Yorker aber schriftlich, mit Amtssiegel vom Gericht und Scheck von der Gegenseite. Kunsthistorisch geht es um Traditionen, die von situationistischen Aktionen über die Kalligrafie praktisch bis runter zur ottonischen Buchmalerei reichen. Juristisch geht es um Eigentümerrechte und Vandalismus. Die Jury hatte dabei auch kunstphilosophisch interessante Fragen zu behandeln. Welchen Anspruch auf Dauerhaftigkeit darf etwas haben, das einst als ephemere Geste entstand? Und gehört der Name 5Pointz zum Gebäude (der Eigentümer wollte ihn zur Vermarktung seiner Wohnhochhäuser weiter nutzen) oder nur zur Bemalung? Und wo gehen Graffiti hin, wenn es keine Wände mehr gibt, sondern nur das Glas von Eigentumswohnungen?

Einer der Veteranen der Szene hat soeben eine der möglichen Antworten gegeben. Lee Quiñones, bekannt aus dem Film "Wild Style", gestaltet die Frühling-Sommer-Kollektion 2018 der bei Hip-Hop-Künstlern beliebten Modemarke Supreme.

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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