Kunst:Verschaukelt

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Erstaunlich banal sei die Installation „One Two Three!“ von Superflex in der Tate Modern, befand die britische Presse. Die Besucher schaukeln dennoch. (Foto: Reuters)

Das dänische Künstlerkollektiv Superflex richtet in der Turbine Hall der Londoner Tate Modern einen Spielplatz ein. Das Niveau anderer Installationen dort erreicht er aber nicht.

Von Catrin Lorch

In der Turbine Hall der Tate Modern kann man vergessen, dass man im Eingangsbereich eines Museums steht. Das ehemalige Kraftwerk wirkt dort roh, die Halle ist gut sieben Stockwerke hoch. Fast wundert man sich, dass die Rampe, die vom Eingang in die Sammlung führt, nicht auch von Straßenbahnen oder Autos befahren wird. Dieses Museum - so die Ansage der Architektur - steht nicht still. So bewegt wie in diesem Herbst ging es dort allerdings noch nie zu, seit die dänische Künstlergruppe Superflex dort "One Two Three!" installierte, ein Werk, dessen Titel nach Kindergeburtstag klingt. "Auf die Plätze, fertig, los!"

Die Stimmung ist Spielplatz, an einem ausgreifenden Gerüst hängen Schaukeln, die - wer will - auch zu zweit oder zu dritt besetzen kann. Über den Glastüren schwebt noch ein gewaltiger spiegelnder Stahlball, in dem man sich selbst dicklich verzerrt entdeckt, wenn man sich auf einem gemusterten Teppich ausstreckt. "Wirklich erstaunlich banal", urteilt die britische Kunstkritik, man hätte ja von dem Kollektiv durchaus etwas erwartet, das für angewandte, aber auch kritische Ansätze steht. In der Vergangenheit tauchten die Künstler während Biennalen durch die schmuddeligen Kanäle Venedigs, produzierten Biogas oder transformierten abgewirtschaftete Stadtviertel.

Das sind Motive und Metaphern, die zu einem Museum gepasst hätten, das selbst mithalf, die britische Hauptstadt zur Kunstmetropole zu transformieren. Der Ableger der Tate am südlichen Themseufer war der Ort, der ein nicht eben kunstaffines Land mit der zeitgenössischen Avantgarde versöhnte. Spätestens seit Olafur Eliasson dort 2003 eine orange glühende Sonne unter der Decke montiert hatte, galt die Turbine Hall als prominenteste Location der zeitgenössischen Kunst.

Doch verstörende Werke wie der lange Riss, den Doris Salcedo in den Boden stemmen ließ, oder die in Handarbeit bemalten Porzellankörner, die Ai Weiwei dort ausstreute, gehören der Vergangenheit an. Die bunte Arbeit von Superflex erinnert an die dekorative Installation, bei der Philippe Parreno im vergangenen Jahr gasgefüllte Fischballons in Richtung ausgestreckter Kinderhändchen schweben ließ.

Die Belanglosigkeit ist programmatisch: Während britische Sammler in Malerei und bunte Bildhauerei investieren und staatstragende Bronze als Lieblingsmaterial des Establishments gilt, vermarktet sich die junge Kunst als zeitgenössischer XXL-Spaß und möbliert die Lobby der Kunstgeschichte, wo das Publikum in heiterster Laune auf der Schwelle zum Museum verschaukelt wird.

One Two Three ! Tate Modern, London. Bis 2. April 2018.

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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