Kunst:Samtene Revolution

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Wenn die Welt zu bunt wird, muss die Kunst manchmal Schwarz sehen. Eine Münchner Ausstellung zeigt, was diese Nichtfarbe in der alten Malerei alles ausdrücken kann.

Von Susan Vahabzadeh

Farben sind Gefühle, oder zumindest lösen sie welche aus. Schwarz ist, technisch betrachtet, die Abwesenheit von Farbe, aber in der Wahrnehmung ist es natürlich doch eine, mit der man gleich eine ganze Reihe von Stimmungen assoziiert: Schwarz sind die Unterwelt und die Trauer, was schwarz ist, ist heilig, bescheiden, verboten, manchmal einfach nur unergründlich. Der düsteren Seite der Malerei hat die Neue Pinakothek eine kleine Ausstellung gewidmet, die von heute an zu sehen ist. "Drei Farben: Schwarz", in nur einem Gang und mit Gemälden aus dem eigenen Bestand, soll dazu anregen, ansonsten den Spieltrieb, den gerade der Umgang mit Schwarz in Künstlern diverser Epochen ausgelöst hat, in der restlichen Sammlung wiederzufinden. Schwarz wird hier in dreierlei Hinsicht gezeigt - als Material, als Metapher, und als große technische Herausforderung.

Was man mit Schwarz alles anstellen kann, sieht man am eindruckvollsten an einem Gemälde von Franz Xaver Winterhalter, der Mitte des 19. Jahrhunderts als Hofmaler durch die europäischen Königshäuser tourte, von England, Frankreich und Spanien bis nach Sankt Petersburg. Es gibt ein Sissi-Gemälde von ihm in der Wiener Hofburg, so, wie man sie sich vorstellt, mit dem Schmuck im Haar und einem wolkengleichen Kleid aus bestickter Spitze. Sein Porträt des Grafen Jenison-Walworth in der Pinakothek ist eigentlich das Gegenteil, aber auch Schwarz kann prachtvoll sein, wenn einer Stoffe so exakt wiedergeben kann wie Winterhalter - der bayerische Gesandte in Paris auf dem Gemälde ist ganz schwarz gekleidet, aber doch sehr edel. Der Graf trägt eine Seidenjacke mit Samtkragen, drüber drapiert einen Pelz, alles in Schwarz, aber die Materialien sind so plastisch, dass man meint, die Seide knistern zu hören, und den Pelz am liebsten anfassen möchte.

Das ist dann auch das Großartige an dem berühmtesten Gemälde, das in der Ausstellung gezeigt wird - Edouard Manets "Frühstück im Atelier" (1868). Man sieht seinen Stiefsohn darauf, das heißt: Das Erste, was man sieht, ist sein Jackett aus dickem Samt, so schwarz, dass es einen fast in das Gemälde hineinzieht. Aus der Nähe sieht man dann die Details des Kleidungsstücks, und kleine Verweise darauf, wie viel Bewunderung Manet für Altmeister hegte, der selbst doch als Wegbereiter der Moderne gilt - auf dem Esstisch blauweißes Porzellan wie bei den Niederländern, seitlich ein spanisches Sammelsurium mit Helm.

Manet hat Diego Velázquez verehrt, der mehr als zweihundert Jahre früher gelebt hat. Sein "Junger spanischer Edelmann" hängt gleich neben dem Frühstück im Atelier, und Manet hat sicher bewundert, wie Velázquez das schwarze Wams des jungen Mannes gemalt hat, mit seinen Aufschlägen und Falten, aber da ist noch mehr. Die Hand, rechts unten im Bild, ist nur skizzenhaft zu sehen, Velázquez hat das mehrfach gemacht, wahrscheinlich mit Absicht: eine kleine Stelle unfertig gelassen in seinen Bildern, in der man die Skizze darunter erkennen kann, als wolle er einen noch einmal darauf stoßen, dass man keine abgebildete Wirklichkeit sieht, sondern den Reim, den er sich auf sie macht. Es geht da mehr um die Wahrnehmung als um Abbildung - und auch das dürfte Manet gefallen haben.

Nur sechzehn Gemälde werden in der Ausstellung gezeigt, aber man kann trotzdem ganz gut erkennen, wie viele unterschiedliche Jobs als Metapher Schwarz über die Jahrhunderte innehatte, es wirkt bescheiden an dem Bischof, den Bartolomé Esteban Murillo dabei zeigt, wie er einen Lahmen heilt, bedrohlich bei Johann Heinrich Füsslis Tanz vorm Höllentor - "Satan und Tod, von der Sünde getrennt" (1792/1802). Heilig oder sündig. Wie viel Schwarz, oder manchmal auch nur dunkle Farbe in einem Bild verwendet wurde, bestimmt mit, wie viel Licht darin ist, und man kann an zwei kleinen Salonszenen sehen, wie die Stimmung umschlägt, wenn es ausgeht - das Konzert im Tageslicht, das Nicolas Lancret 1738 gemalt hat, sieht nach sittsamer Nachmittagsunterhaltung aus, die Damen tragen prachtvolle, bunte Kleider; Adolph von Menzel zeigt ein ähnliches Motiv in seinem "Salonkonzert" von 1851, nur sind da nicht nur die Kleider dunkel, die ganze Gesellschaft befindet sich in schummrigem Kerzenlicht, was dann ein wenig verrucht wirkt.

Es sind Gemälde dabei, bei denen das Schwarz sich einfach nur als dunkles Braun oder Blau entpuppt, wenn man näher herangeht, und solche, bei denen man danach suchen muss - es steckt in den Konturen und den Schatten, es ist als Beimengung in einer grünen Hose zu erkennen und vor allem als Kontrast. Schwarz mag als Antifarbe gelten, und doch braucht man es als Gegenpol. Wäre die Welt immer nur hell und farbig, würde hell und farbig gar nichts mehr bedeuten. Erst in der Dunkelheit erscheint der Wert des Lichts.

D rei Farben: Schwarz, Neue Pinakothek München, bis 23. Januar.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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