Kunst:Kopflos

Wer ist der Maler? Eine teilnahmslose junge Judith und ihre alte Magd töten Holofernes. (Foto: Charles Platiau/Reuters)

Ein Dachbodenfund aus Toulouse wird dem Maler Caravaggio zugeschrieben und soll angeblich 120 Millionen Euro wert sein. Caravaggios Ideen aber verrät das Gemälde.

Von Kia Vahland

"Die Kunstwelt steht kopf", jubelt die Frankfurter Allgemeine Zeitung, was nur knapp daneben liegt: Vielmehr erscheint sie kopflos, wenn sie allen Ernstes das neu aufgetauchte Gemälde einer den Holofernes enthauptenden Judith als verlorenes Original von Michelangelo Merisi da Caravaggio feiert. Auf einem Dachboden in Toulouse soll das Werk gefunden worden sein - die übliche Story, wenn es um "Neuentdeckungen" geht. 120 Millionen Euro, na klar, soll das Schauerstück wert sein, sagt der damit betraute Auktionator. Das französische Kulturministerium verhängte eine Exportsperre von 30 Monaten, in denen die Echtheit geprüft werden kann.

Man könnte auch einfach nach Rom fahren in den Palazzo Barberini und sich anschauen, wie Caravaggio Judiths Gräueltat malte. Kein verrenkter, sondern ein überraschter Holofernes erliegt Judiths hoch konzentriertem Schwerthieb. Sichtbar gruselt es ihr vor sich selbst. Auf der Toulouser Fassung dagegen erledigt sie den Mord nebenbei, krault dem Opfer noch den Schopf, schaut ungerührt ins Publikum. Die biblische Heldin wird zur kühlen Serientäterin.

Es heißt, Caravaggio habe sich im sterbenden Holofernes selbst gemalt. Jetzt wissen wir, warum: Er ahnte womöglich, mit welch groben Schwerthieben spätere Interpreten seine dramatischen Ideen verhackstücken würden.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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