Kunst:Kleine Flachware

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In Baden-Württemberg gingen 500 Kunstwerke verloren, die seit der Nachkriegszeit in Ämtern, Büro- und Krankhausfluren hingen. Dies fiel nun dem Rechnungshof auf. Er mahnt besseren Schutz für Picasso & Co. an.

Von ADRIENNE BRAUN

Bei Pablo Picassos Lithografie "Tête de femme" kommt alle Hilfe zu spät. Die Farben sind vergilbt, die Signatur ist verblasst - denn das Blatt aus dem Jahr 1957 hängt seit Jahren in einem Büroflur neben dem Kopiergerät. Der Landesbetrieb "Vermögen und Bau Baden-Württemberg" betreut 3500 Kunstwerke. Diese hat der Rechnungshof überprüft und ist dabei nicht nur auf konservatorische Mängel gestoßen. Bei der Durchsicht der Inventarliste haben die Prüfer auch festgestellt, dass 500 Werke verschollen sind - etwa der Holzschnitt "Segelschiffe" von Lionel Feininger aus dem Jahr 1919 oder Joan Mirós Farblithografie "Signes et Météores" von 1958.

"Vermögen und Bau" kümmert sich um die Immobilien des Landes sowie um Kunst am Bau. Während die Arbeiten heute in der Regel auf Architektur zugeschnitten sind, wurden in den Sechziger- und Siebzigerjahren auch zahlreiche Bilder angeschafft für Büros und Flure. Der Großteil der verschollenen Objekte stammt aus diesen Ankäufen. Jedes verlorene Werk sei eines zu viel, sagt Annette Ipach-Öhmann, die der zuständigen Kunstkommission vorsitzt. Sie hält 500 verschollene Werke im Vergleich zu den Gesamtbeständen aber für überschaubar, zumal es sich vor allem um "kleine Flachware" handle: "Das konnte man damals nicht im Griff halten so wie man das heute kann."

Beim Landesbetrieb will man nun dafür sorgen, dass die Leihvereinbarungen überarbeitet werden, "aber die Werke sind für den Alltag gedacht und nicht für das Museum", sagt Ipach-Öhmann, im Büro- oder Krankenhausalltag blieben Zwischenfällen nicht aus. Bisher sind die Mitarbeiter von "Vermögen und Bau", die sich um die Gebäude kümmern, angehalten, auch zu kontrollieren, ob die Kunst sorgsam behandelt wird. Dass über Jahre niemand bemerkte, dass der Picasso im Landesamt für Besoldung und Versorgung in Stuttgart-Fellbach keinesfalls neben dem Kopierer hätte hängen dürfen, hält Ipach-Öhmann für einen Einzelfall. Der Rechnungshof sieht das anders und fordert, die Werke besser zu schützen, zumal einige enorm im Wert gestiegen seien. So wurde 1956 das "Freiburger Bild" von Ernst-Wilhelm Nay, das in der Freiburger Universität hängt, für 15 000 Mark gekauft, der Versicherungswert betrage jetzt zwei Millionen Euro. Auch bei Werken von Picasso, Otto Dix und Henry Moore könne man von Wertsteigerungen ausgehen.

© SZ vom 24.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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