Kunst:James Turrell

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(Foto: Wolfgang Kumm/AFP/dpa)

Das Jüdische Museum in Berlin zeigt die neuerworbene Lichtinstallation "Aural" von James Turrell - ein Riesenguckkasten für nur fünf Besucher in der Stunde.

Von Peter Richter

"Aural" heißt die Arbeit von James Turrell, die das Jüdische Museum in Berlin von dem Sammlerpaar Si und Dieter Rosenkranz geschenkt bekommen hat und seit dieser Woche zeigt - wenn auch nur jeweils fünf Besuchern in der Stunde, die sich möglichst gegenseitig nicht in den Blick kommen sollten, während sie da auf Socken in einem Riesenguckkasten in einen weißen Farbnebel schauen, der langsam blau wird, bevor Stroboskopschläge das Innere der eigenen Augäpfel sichtbar machen sollen. Ganzfeld effect heißt in der Wahrnehmungspsychologie das Phänomen der Orientierungslosigkeit, der Eindruck eines quasi vorgeburtlichen Herumschwebens, wenn gleißendes Licht alle räumlichen Kanten schluckt. "Aural" ist weder das erste noch das einzige Ganzfeld piece, das Turrell gemacht hat. Aber es dürfte das erste und einzige sein, das so instruktiv und, tja, einleuchtend auf die eminente Rolle des Lichts in der rabbinischen Auslegung der Genesis bezogen wurde wie hier durch den Theologen und Museumsdirektor Peter Schäfer.

Auch das gehört zur Qualität der Arbeiten von Turrell, der selber in der religiösen Tradition der Quäker aufgewachsen ist und als Südkalifornier oft einen erfrischend handfesten Zugang zu den Dingen hat, die metaphysisch wirken, aber auf ganz prosaischer Physik beruhen: Seinen ersten Ganzfeld-Effekt hatte er, als er als passionierter Pilot in eine dichte Wolke flog. Einmal hat er auch erzählt, dass er in einem Mustang-Cabrio saß, als er sich wünschte, auch die Gemeinderäume der Quäker könnten sich, wie ein Cabrio, zum Himmel hin öffnen - die Grundidee einer anderen wichtigen Werkserie. Turrell hat immer betont, dass das Licht bei ihm befreit sei von allem Symbolismus und nur sich selbst bedeute. Vielleicht, wer weiß, war das aber auch nur die Voraussetzung dafür, dass sich seine Lichtkunst heute wieder so gut auch in religiöse Zusammenhänge setzen lässt - und das ausgerechnet im superagnostischen Berlin. Hier hat er vor drei Jahren erst die Kapelle des Dorotheenstädtischen Friedhofs illuminiert; jetzt bietet er im Jüdischen Museum Transzendenzerlebnisse für alle.

© SZ vom 14.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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