Kunst:Illustrationen des Schreckens

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Von Henrik Oerding, München

Es ist eine Chronologie des Schreckens: Angefangen bei der im Tanach überlieferten Sklaverei unter dem Pharao von Ägypten über den allgegenwärtigen Judenhass im Mittelalter bis zur Grausamkeit des Holocausts - die Geschichte des jüdischen Volkes ist von Feindlichkeit und Verfolgung geprägt. Der amerikanisch-jüdische Autor und Illustrator Mark Podwal nahm sich 2014 für das Ghetto-Museum in Theresienstadt der Geschichte des Antisemitismus an und schuf 42 großformatige Grafiken unter dem Titel "All this has come upon us . . ." ("Dies alles ist über uns gekommen", aus Psalm 44). Eines der 60 Exemplare des gesamten Werkes hat Podwal nun der Bayerischen Staatsbibliothek geschenkt.

Das ist keine Selbstverständlichkeit, zahlten doch renommierte Institutionen wie die Universitätsbibliotheken von Oxford, Harvard oder Princeton hohe Preise für Podwals Werk. Ihm war es aber ein Anliegen, dass mindestens ein Exemplar auch nach Deutschland kommt: "Es ist nur angemessen, dass es das Portfolio auch in Deutschland gibt. Meine Arbeit ist eine Chronologie der Verfolgung von Juden, die den Weg für den Holocaust ebnete", sagt Podwal. Auch der Generaldirektor der Staatsbibliothek, Klaus Ceynowa, betont die Bedeutung des Werkes für München: "Hier in München hatte die Nazi-Bewegung ihren Anfang. Podwals verstörende und zum Nachdenken anregende Bilder sind eine Erinnerung daran, was Deutschland dem jüdischen Volk angetan hat."

Dabei wirken die Bilder auf den ersten Blick nahezu fröhlich: Kräftige Farben zeichnen die Illustrationen aus; neben sie ist stets ein Psalm gestellt, der als Kommentar dient. Mark Podwal wollte seine Werke wie Buchseiten aussehen lassen, auch weil Juden teilweise als "Leute des Buches" bezeichnet werden. Für eine farbige Darstellung entschied er sich bewusst, um für eine Auseinandersetzung mit den Inhalten zu sorgen. "Es ist wie bei den Renaissance-Darstellungen der Kreuzigung Jesu: Etwas Grausames wird schön und kunstvoll dargestellt. Das regt zum Nachdenken an", sagt Podwal. Für die Zukunft ist laut Bayerischer Staatsbibliothek eine Ausstellung denkbar, zunächst werden die 42 Illustrationen aber unter besten Bedingungen verwahrt, damit sie auch in mehreren Jahrhunderten noch wie neu aussehen. Es bleibt zu hoffen, dass man Antisemitismus dann nur noch aus Erzählungen und Bildern kennt.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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