Kunst:Frankensteins Bräute

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Der unheimliche Glamour-Fotograf Karl Schenker wird in einer Ausstellung im Kölner Museum Ludwig wiederentdeckt. Seine Aufnahmen zeigen eine glatte, perfekte Welt.

Von Michael Kohler

Endlich ein Fotograf, der nicht mit "sogenanntem seelischen Ausdruck" flunkert, der in Gesichtern nicht nach charakterlicher Tiefe kramt und stattdessen "ganz solide und gewissenhaft" bei der Oberfläche bleibt. Mit einem Stoßseufzer der Erleichterung feiert der Schriftsteller Franz Blei im Jahr 1915 den Berliner Fotografen Karl Schenker, der in der Weimarer Republik zum Starporträtisten der besseren Gesellschaft wurde, in den 1930er- Jahren schon wieder aus der Mode und in seinem Todesjahr 1954 vergessen war - und zwar aus denselben Gründen, denen er seinen Aufstieg verdankte. Berlin in den 1920-Jahren, das war eine Stadt des technischen Fortschritts und der Moderne, und die Fotografie, selbst ein Kind der Technik, war das Medium dieser neuen Zeit. Sie zeigte die Dinge, wie sie waren, und verwandelte Menschen in Dinge, denen man mithilfe des Fotoapparats unbewusste oder ängstlich verborgene innere Wahrheiten entreißen konnte. So ähnlich erzählt es zumindest die Geschichte der Fotografie, und es ist offensichtlich, warum Karl Schenker, der Frauen auf seinen Aufnahmen bis zur Unkenntlichkeit retuschierte und in die immer gleichen mondänen Posen zwang, darin keinen Platz hatte.

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