Kunst:Die Supermarkt-Kassiererin

Abb.: www.labellaprincipessa.it (Foto: N/A)

Hat Leonardo da Vinci oder ein heutiger Fälscher dieses Bild gemalt?

Von Kia Vahland

Es ist kein besonders aufregendes Bild, dieses ordentlich gezeichnete Porträt eines adretten Mädchens, das uns vor lauter Anstand nicht in die Augen schauen mag. Sein Besitzer, der amerikanische Sammler Peter Silverman, und der Oxforder Kunsthistoriker Martin Kemp aber sind überzeugt von dem Gemälde auf Pergament: Ein Original Leonardo da Vincis erkennen sie in ihm, ein Hochzeitsbild der Herzogstochter Bianca Sforza (SZ vom 2. Oktober). Sie haben eher die Merchandising-Industrie hinter sich als die Kunstgeschichte, im vergangenen halben Jahrtausend ist das Werk nicht aufgefallen. Was auch daran liegen könnte, dass Leonardo nicht nur viel virtuoser malte, sondern die Tradition der Mädchenbildnisse im Profil gerade überwand. Ihm ging es um einen Dialog von Figur und Betrachter, um emotionalen Austausch, Blickkontakt. Könnte sie nur sprechen, diese Frau: Was würde sie dazu sagen, dass jetzt noch ein Urheber aufgetaucht ist, der inhaftierte britische Kunstfälscher Shaun Greenhalgh? 1978 will er mit links die Kassiererin eines Supermarktes porträtiert haben, auf altem Material.

Das ist möglicherweise ein Marketingtrick, welcher in Sachen Chuzpe der Leonardo-These nicht nachsteht. Greenhalgh will seine Lebenserinnerungen verkaufen. Kemp wies die Behauptung aus technischen Gründen zurück, Silverman lobte einen Preis aus für den Fälscher, der das Werk reproduzieren könne. Ihnen kann die neue Aufregung nur dienen. Fragt sich nur, warum ein begabter Fälscher wie Greenhalgh unbedingt ein so langweiliges Gemälde geschaffen haben will. Die Kassiererin hätte Besseres verdient.

© SZ vom 02.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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