Kunst:Der gestohlene Christus

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In einer fundierten Ausstellung untersucht das Liebieghaus in Frankfurt seine NS-Geschichte und findet Raubkunst und etliche unklare Fälle.

Von Ira Mazzoni

Der schwarze Steinsockel bleibt symbolisch leer. Die fränkische Muttergottes, eine schlanke, fast ein Meter hohe Alabaster-Skulptur aus dem 14. Jahrhundert, wurde als Raubkunst identifiziert und 2015 an die Erben der rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben. 1938 hatte das Frankfurter Skulpturenmuseum Liebieghaus die wertvolle Arbeit im Münchner Kunsthandel erworben. Was der Kunsthändler Julius Böhler damals verschwieg: Er selbst hatte die Kunstsammlung des jüdischen Ehepaares Agathe und Ernst Saulmann in Reutlingen geschätzt. Die Saulmanns waren 1935 überstürzt nach Italien geflohen, das Finanzamt pfändete das Eigentum, vom Auktionserlös wurde die Reichsfluchtsteuer eingezogen. "Man hat mich einfach ausgeraubt", klagte Ernst Saulmann im April 1946, als er sich beim Finanzamt Reutlingen nach dem Verbleib seiner Vermögenswerte erkundigte. Auch Nachforschungen seiner Tochter blieben erfolglos. Erst mithilfe der 2013 wiedergefundenen, annotierten Auktionskataloge der Firma Weinmüller konnten die Erben den Verbleib der Madonna klären. Die Geschichte wird nun im Liebieghaus auf einem Metalltableau entfaltet, das den leeren Sockel umgibt.

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