Kunst:Demo für Rosa

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Mit "Power to the People" zeigt die Frankfurter Schirn, was sie für politische Kunst hält. In Wahrheit reduziert sie Kunst zur Medien-Aktion.

Von Catrin Lorch

Banner sind in der Rotunde der Schirn Kunsthalle abgestellt, rosa und gelb leuchtende Stoffstreifen, die als undurchdringliches Farbenwogen den Eingang versperren. Schon weil sie unbeschriftet sind, klingt der Titel der Ausstellung, vor deren Drehtür die Künstlerin Phyllida Barlow "Untitled 100banners2015" installiert hat, laut wie ein Fanal: "Power to the People. Politische Kunst jetzt".

Bislang war die Frankfurter Schirn eher für Blockbuster bekannt und nicht für Ausstellungen zur Zeitgeschichte oder mit künstlerischen Positionen, die sich als politisch motiviert verstehen. Nun kündigt man die "Bestandsaufnahme zeitgenössischer Positionen, die sich als Seismografen des politischen Handelns lesen lassen" an, als habe man es mit einer neuen Stilrichtung zu tun, einem Nachfahren von Impressionismus oder Realismus. Denn: Wie die Gesellschaft so stünden auch Künstler "unter dem Druck, Einspruch zu erheben".

Das ist ein Kunstverständnis, in dem Kommunikation und Kunst durcheinander wirbeln. Es ist ja eher so, dass vor allem Kuratoren und Medien derzeit Kunst schätzen, die Dinge auf den Punkt bringt. Davon profitieren Aktivisten wie Philip Ruch mit seinem Zentrum für Politische Schönheit oder die Kunst eines Ai Weiwei. Doch was verbindet die 43 Arbeiten "aus unterschiedlichen Ländern, von Deutschland über England oder Belgien bis zu den USA, der Türkei, Israel oder Libyen"?

Die Auswahl wirkt eklektisch. Es ist ein Unterschied, ob Andrea Bowers ein möbelkleines Piratenschiff mit Statements beflaggt oder Katie Holten feine Bleistift-Porträts von Aktivisten wie Angela Davis zeichnet. Ob Dani Gal 250 Vinylschallplatten samt Hüllen als "Record Archive" ausstellt, auf denen Reden von Churchill, Hitler, Nixon, Jackson oder Mutter Teresa zu hören sind. Oder ob Architekten und Künstler ihr Schaffen zugunsten notwendigerer Arbeit - wie zum Beispiel dem Sammeln und Aufbereiten von Fakten - aufgeben wie die Künstlergruppe Forensic Architecture, die in Frankfurt mit der Arbeit "Bil'in: The Killing of Bassem Ibrahim Abu Rahma, 17. April 2009" den Tod eines Palästinensers bei einer Demonstration an der israelischen Grenze rekonstruieren.

In der Schau begegnen einem die zusammengewürfelten Medien, Techniken, Anliegen und Kontexte nun so, als würde man beim Herumzappen zwischen Fernsehkanälen zur Nachrichtenzeit auch noch Zeitung lesen und Livestreams verfolgen.

Der behauptete Zusammenhang ist zudem fahrlässig, weil er politisch motivierte Kunst zur Medien-Aktion reduziert. Unter Umständen ist es angezeigt, ein Piratenboot zu beflaggen, eine Kamera zu einer Demonstration mitzunehmen - und dann wieder Blumen zu malen. Mit Ölfarbe. Eine Ansage wie "Politische Kunst Jetzt" grenzt diese Freiheit ein. Nein, politische Kunst ist mehr als ein brisantes Kapitel Kunstgeschichte. Sie ist eine immer bestehende Option.

Power to the People. Politische Kunst jetzt. Schirn Kunsthalle, Frankfurt. Bis 27. Mai.

© SZ vom 24.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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