Kunst:Das kriegsversehrte Museum

Im Berliner Bode-Museum werden 59 Skulpturen restauriert, die im Zweiten Weltkrieg bei einem Brand beschädigt wurden.

Von Peter Richter

Zu den Dingen, die in einem Studium der Kunstgeschichte mit zuverlässiger Regelmäßigkeit vorkommen, gehören Begriffe wie "Kontrapost", "farbige Fassung", "Desiderat der Forschung" sowie die Bildunterschrift "ehemals Kaiser-Friedrich-Museum Berlin, Kriegsverlust" unter Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Meisterwerken der Malerei, vor allem aber der Skulptur, aus Renaissance und Barock. Die Arbeiten waren am Ende des Zweiten Weltkriegs in den Flak-Turm Friedrichshain evakuiert worden und dort nach einem Bombentreffer verbrannt. Rund 10 000 verkohlte Fragmente aus den Skulpturensammlungen konnten damals geborgen werden, galten aber als unausstellbar. Dank einer Millionenspende der Ernst-von-Siemens-Stiftung können im Bode-Museum, wie das Kaiser-Friedrich-Museum nach seinem einstigen Direktor heute heißt, jetzt 59 besonders schöne Stücke wieder instand gesetzt werden. Auf dem Tisch der Restauratoren liegen Berühmtheiten wie Donatellos "Madonna mit vier Cherubim" aus den frühen 1440er-Jahren (unsere Abbildung) oder die beiden Schildträger des venezianischen Frührenaissance-Meister Tullio Lombardo. Von deren scharf geschnittenem Carrara-Marmor hat der Brand allerdings nur verbackene Klumpen aus rotbraunem Sand übrig gelassen. Es wird ein spektakuläres Unterfangen, hieraus wieder etwas zu machen, das dem Originalzustand gleicht. Es ist aber auch kein unumstrittenes. Das denkmalpflegerische Credo liegt in Deutschland eher auf dem Erhalt und der Sicherung historisch überkommener Zustände, und historisch überkommen sind nun einmal in diesem Fall auch die Kriegsschäden. Die skulpturalen Brandopfer sind heute von einem eigenen hohen, wenn auch etwas morbiden Reiz. Aber wenn die Restauratoren dort jetzt den Kontrapost von Tullios Schildträgern wiederherstellen und die farbige Fassung von Donatellos Madonna, dann trifft das sicher auch Desiderate der Forschung - vor allem jedoch des Publikums.

© SZ vom 13.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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