Kunst:Blühender Fettfleck

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Bis in den verstecktesten Winkel des Zentralinstituts für Kunstgeschichte führt Schirin Kretschmanns Kunstintervention. (Foto: Schirin Kretschmann / VG Bild-Kunst, Bonn 2017)

Spurensuche im Zentralinstitut für Kunstgeschichte

Von Evelyn Vogel

In der Fachwelt steht es einzigartig da: Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München (ZI) ist eine international renommierte Forschungseinrichtung, verfügt über eine herausragende Fachbibliothek und eine riesige Fotothek, es veranstaltet regelmäßig wissenschaftliche Kolloquien und Tagungen und gewährt Zugang zu umfangreichen Datenbanken und Online-Angeboten. Auch deshalb ist das ZI für Kunsthistoriker eine viel genutzte Recherchequelle. Und doch spielt es in der breiten Öffentlichkeit kaum eine Rolle und wird nur dann wahrgenommen, wenn ein spektakulärer Provenienzfall hohe Wellen schlägt.

Doch das soll sich ändern. Immer öfter geht das ZI, das 1946/47 aus dem Central Collecting Point der Amerikaner hervorgegangen ist, mit anderen Institutionen wie Museen, Universitäten und Akademien Kooperationen ein. Außerdem ist es mit seiner Fotothek seit einigen Tagen auf der Google-Plattform Arts & Culture vertreten, wodurch man sich ganz wunderbar visuell durch ein gewaltiges Stück Zeithistorie klicken kann. Zum 70-jährigen Bestehen lädt das Institut nicht nur zu Fachtagungen ein, es versucht sich auch stärker für ein allgemeines Publikum zu öffnen und die eigene, über sieben Jahrzehnte hinweg aufgebaute Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Ein Versuch in diese Richtung und eine Versuchsanordnung zugleich ist das, was Schirin Kretschmann mit "Lets Slip into her Shoes" in dem schneckenförmigen Treppenhaus des ZI realisiert hat. An diesem Ort, der selbst voller Spuren ist, hinterlässt die in Berlin lebende Künstlerin minimalistische synästhetische Interventionen. Aus dem Putz hat sie im DIN A4- und A3-Format Rechtecke ausgestanzt und darauf mit Farbpigmenten vermischtes Lederfett aufgetragen. Was anfangs akkurat abgegrenzt ist, verändert sich im Laufe der Zeit, da das Fett mit der Wand reagiert, ausblüht und Aureolen bildet. Je weiter man über die drei Stockwerke nach oben steigt, desto dichter sind die Felder gesetzt und desto intensiver riecht man das Lederfett. So kann man Schirin Kretschmanns Fett-Spuren visuell und olfaktorisch folgen und das ZI bis in den verstecktesten Winkel für sich entdecken.

Schirin Kretschmann: Lets Slip into her Shoes (V), Kunstintervention, Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Katharina-von-Bora-Straße 10; Künstlergespräch zur Eröffnung: Mittwoch, 22. März, 19 Uhr, danach zugänglich Mo-Fr 9-12 Uhr

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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