Kultur:Ungespielte Töne

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Als Sohn einer Mezzosopranistin und eines Pianisten trat Karlrobert Kreiten schon mit zehn Jahren öffentlich auf. (Foto: Privat)

Florian Heinisch erinnert mit einem Konzertprogramm an Karlrobert Kreiten, den aufstrebenden Pianostar, der 1943 von den Nazis ermordet wurde

Von Klaus Kalchschmid

Am vergangenen Sonntag wäre sein 100. Geburtstag gewesen - und zu diesem Anlass wird im nun in München ein Konzert gewidmet. Doch in der Nacht zum 8. September 1943 wurde der Pianist Karlrobert Kreiten im Alter von 27 Jahren gehängt: Er hatte in der Wohnung einer Freundin der Mutter, bei der er Klavierüben durfte und die ihn seit seiner Kindheit kannte, sinngemäß gesagt, der Krieg sei praktisch schon verloren, Deutschland und seine Kultur stünden vor dem Untergang. Kreiten wurde zunächst bei der Reichsmusikkammer, doch als dies zu keinem Ergebnis führte, nach zwei Wochen auch noch bei der Gestapo denunziert. Vier Monate später, am 3. September 1943, wurde er vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, nachdem kein Gnadengesuch, auch nicht das von Wilhelm Furtwängler, Erfolg gehabt hatte. Vier Tage darauf wurde Kreiten wegen "Feindbegünstigung" und "Wehrkraftzersetzung" in Plötzensee zusammen mit 186 anderen Verurteilten ermordet. Nach der Hälfte der Untersuchungshaft hatte er bereits an seine Eltern geschrieben: "Ich kann es schon bald nicht mehr glauben, dass ich eines Tages in Freiheit kommen werde."

Karlrobert Kreiten, Sohn einer Mezzosopranistin und eines Pianisten, war ein Wunderkind. Er spielte schon mit zehn Jahren öffentlich, erlebte 1933, mit 17, einen frühen Triumph: Beim Internationalen Klavierwettbewerb in Wien errang er ein Diplom und eine silberne Ehrenplakette, gewann den Wettbewerb allerdings nicht. Sein Ruhm wuchs trotzdem stetig und schlug sich in enthusiastischen Kritiken nieder. So stand am 4. Februar 1938 im Berliner Tageblatt: "Sein durchgeistigtes Spiel, die hochkultivierte, perlende Technik, der fein nuancierte Anschlag befähigen den noch im jugendlichen Alter stehenden Künstler zu einem Schaffen von Weltrang." Noch 1983 rühmte sein Lehrer, der berühmte Claudio Arrau, Kreiten als "eines der größten Klaviertalente, die mir je persönlich begegnet sind."

1987 wurde das Schicksal Kreitens einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Denn ein Spiegel-Artikel hatte Werner Höfer, dem damaligen Fernseh-Moderator des beliebten und renommierten "Internationalen Frühschoppens", nachweisen können, dass ein Kommentar im 12-Uhr-Blatt am 20. September 1943 wörtlich auf ein Manuskript Höfers zurückging und keinesfalls von fremder Hand in seinen Text hineinredigiert worden war. Die Tatsache führte zu seinem Rücktritt. Im Zusammenhang mit der Verantwortung prominenter Künstler hatte Höfer mit bemerkenswertem Zynismus über das Ende Kreitens geschrieben: "Wie unnachsichtig jedoch mit einem Künstler verfahren wird, der statt Glauben Zweifel, statt Zuversicht Verleumdung und statt Haltung Verzweiflung stiftet, geht aus einer Meldung der letzten Tage hervor, die von einer strengen Bestrafung eines ehrvergessenen Künstlers berichtete."

Der 24-jährige Moritz von Bredow las damals mit Entsetzen diesen Artikel von Harald Wieser und stieß viel später in Gesprächen mit Grete Sultan, über die er das Buch "Die rebellische Pianistin" schrieb, immer wieder auf Kreiten. Am Abend der Buchvorstellung im März 2012 in Leipzig erlebte von Bredow den damals 21-jährigen Florian Heinisch erstmals und "hörte einen ungewöhnlichen Klavierton, der mich zutiefst bewegt hat." Bis heute ist von Bredow begeistert von seinem "wunderbar idiomatischen Ausdruck", aber auch dem ungewöhnlichen politischen Engagement des jungen Pianisten, das ihn dieses Jahr sogar zu einem Konzert in Bagdad geführt hat.

So wuchs die Idee, innerhalb einer, wie von Bredow betont, "notwendigen Erinnerungskultur" zum 100. Geburtstag von Karlrobert Kreiten eine Tournee mit Florian Heinisch zu initiieren, bei der das Programm des ausverkauften Konzerts im Mittelpunkt steht, das Kreiten am Tag seiner Verhaftung in Heidelberg in der dortigen Uni-Aula nicht mehr spielen konnte.

Geplant war seinerzeit ein gemischtes Programm wie Kreiten es schon oft so ähnlich und erfolgreich aufgeführt hatte: Präludium und Fuge D-Dur von Johann Sebastian Bach (BWV 532) in der Bearbeitung von Ferruccio Busoni, Wolfgang Amadeus Mozarts C-Dur-Sonate KV 330, Ludwig van Beethovens "Appassionata", sechs Etüden von Frédéric Chopin, darunter die Revolutionsetüde, und Franz Liszts "Spanische Rhapsodie". Heinisch spielt das Konzert heute allerdings nicht chronologisch, sondern rahmt Beethoven mit zwei Chopin-Blöcken und platziert Mozart unmittelbar vor Liszt.

Die Tournee mit dem "ungespielten Konzert" - der Name ist inspiriert von Emil Noldes "ungemalten Bildern" - hat am 19. Mai in der Geburtsstadt Bonn begonnen. Am 100. Geburtstag spielte Heinisch in Heidelberg, wo Kreiten verhaftet wurde. Nach München folgt tags darauf ein Konzert in Berlin, dem Ort seiner Hinrichtung.

Das ungespielte Konzert - In memoriam Karlrobert Kreiten, Mi., 29. Juni, 19.30 Uhr, Große Aula der LMU, Eintritt frei

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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